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Der Rhöner 2.0

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Iceland

Aktualisiert: 15. Apr.


Der ICE zum Flughafen Frankfurt ist überpünktlich und gebrochen voll. Der Weg der Reiselust zum ersten Frust beträgt nur wenige Zentimeter. Wer die Treppe in den wirbellosen Lindwurm erklommen hat, versteinert augenblicklich zur Säule. Die Gänge sind vernagelt, die Türen schließen sich. Bis Frankfurt sind es zwanzig Minuten.

Eine freundlich dominante Reiseleiterinnenstimme am anderen Ende des Waggons verkündet ihre Botschaft. "Wir sind eine Reisegruppe mit fünfzehn Personen und bitte Sie, die reservierten Plätze von dreiundzwanzig bis siebenunddreißig, freizugeben." Im Gang verwachsen die Stalagmiten zu einer undurchdringlichen Leibesfülle. Kurz vor dem Airport haben die Ersten ihren verbrieften Sitzplatz erreicht. Die Finger eines siegreichen Schubsers ballen sich zur Faust. "Es geht uns nicht darum zu sitzen. Es reicht schon, wenn sie auch stehen."



Wer sein Leben in Steinbrüchen zubringt hat in Island ein Zuhause. Kein Baum, kein Strauch stören den Blick auf Fels und Stein.

Der Flybus braucht für die fünfzig Kilometer eine dreiviertel Stunde, vom Flughafen Keflavik bis zum BSI Busterminal in der nördlichsten Hauptstadt der Welt. Die Straße folgt der Küstenlinie, deine Augen den schneebedeckten Bergen hinter dem tiefblauen Meeressaum des Nordatlantik. Dort steigst du um, in einen Shuttle Bus, der dich direkt zu deinem Hotel chauffiert. Der Service kostet 4.999 ISK, das sind umgerechnet 33,42€.Die Tickets gibt's hotelgerecht und zielgenau online, an Selbstbedienung-Terminals oder wer Zeit hat, am Schalter in der Flughafenhalle.

Schienenverkehr gibt es nicht auf der Insel.





Es ist Anfang April und eiskalt. Der straffe Nordost presst die - 2° Celsius direkt durch den Pullover auf die Haut. Aus einem Kaufhaus am Hafen kommt ein Tourist mit Wintermantel, Fellkragen, Mütze und Schal. Aus seinem linken Ärmel baumelt das Preisschild seiner investiven Entscheidung. Reykjavik liegt nicht auf den Kanaren.



Reykjavik in 48 Stunden. Was gibt es zu sehen, was muss, was kann und ab wann bekommt heißer Kaffee in einer warmen Gaststube den Vorrang?



Die Hallgrimskirkja prangt auf dem Isländischen tausend Kronenschein und ist das meist fotografierte Gebäude Islands. Sie ist aus Beton erbaut und eifert den Basaltformationen von Mutter Natur hinterher.

Die Bauzeit betrug 41 Jahre von 1945 bis 1986.




Das Konzerthaus Harpa ist ein architektonisches Juwel. Auch hier spielen die fünf und sechskantigen Basaltsäulen die erste Geige im Spiel der freien Gestaltung. Toll.

Das Harpa ist die Heimstatt des isländischen Sinfonieorchesters.

Das Haus beherbergt auch ein Café, für durchgefrorene Rhöner..



Auch an grauen Tagen wissen sich die Nordlichter zu beschäftigen.



Kultur ist das Methadon für Alkohol und Stress .




Hunger ist ein Bedürfnis, das wir mit allen anderen teilen.




Reykjavik ist keine Großstadt im Sinne von Köln oder Düsseldorf. Es geht beschaulich zu. Die Stadt zählt 130.000 Einwohner und ist damit die größte der Insel..



Der Laugavegur ist die ultimative Einkaufsmeile der Stadt. Sie ist die fleißigste Tüten tragende Ameisenstraße der Insel..



Die Anzahl der Touristen, die nach Reykjavik kommen, variiert von Jahr zu Jahr. Im Jahr 2022 wurden 5,7 Millionen Turis gezählt.



Auf meinem 48 Stunden Circle um und in Reykjavik habe ich eine Menge mehr und Vielversprechendes gesehen, was der Entdeckung lohnt. Eine ganze Woche wäre ein guter Plan.



Der Flybus bringt mich zurück zum Flughafen. In der Eingangshalle werde ich von einem Mitarbeiter meiner Autovermietung abgeholt. 

Der Inhaber hält mir ungefragt eine hysterische Standpauke. Am Wochenende habe er vier Autos durch Unfälle verloren. Drei seien vom Sturm von der Straße gefegt worden. Bei einem habe ein Sandsturm in den Westfjorden alle Seitenfenster eingeschlagen. Die Leute darinnen fehlen in seinem Lamento. Ich gelobe Safty First und nehme die Südroute.



Die Straße wird schmaler und meine Augen größer. Ich kann kaum glauben was ich sehe. Ich reise in die Kinderstube der Erdgeschichte. Weit vor die Welt der Bäume und Sträucher, endlos weit vor die Zeit der Dinosaurier. Lavafelder, so weit das Auge reicht. Großporige Basalte in fünf und sechseckiger Säulenform schauen aus aufgeplatzten Nahtstellen der Erdkruste. Verwerfungen, Verschiebungen, Verkrustungen türmen sich auf und erodieren. Ich sehe eine Reduktion der Welt auf ihren Ursprung.





Mittendrin der Mensch von heute. Er baut geothermische Kraftwerke. Er nutzt die vulkanische Aktivität zur Stromerzeugung und Wärmeversorgung. Die Gebiete in unmittelbarer Nähe zur Bruchstelle der Nordamerikanischen und Eurasischen Platte zählen zu den Hochtemperaturgebieten. Die Temperatur des Wassers beträgt über 150°. Es wird durch Bohrungen an die Oberfläche geleitet und verdampft. Der Dampf treibt Turbinen an, die Strom erzeugen.



Wer kann es den Isländern verdenken? Wer hier lebt wird verzaubert, eingenommen von den Mythen, Trollen und Feen. Sie sind ein fester Bestandteil der isländischen Identität und tragen zur mystischen Atmosphäre des Landes bei.


Dieser schlafende Troll hat sich zugedeckt mit der Cetraria islandika, dem isländischen Moss, das ihn wie ein dickes ledriges Kissen bedeckt.



Island dehnt sich aus, jedes Jahr um zwei Zentimeter. Die Nordamerikanische Platte entfernt sich von der Eurasischen. 

Neben den isländischen Mythen gibt es jene, deutscher Sprengmeister. Es heißt, vor jeder Zündung gehe er noch einmal auf sein Sprengfeld und begieße dieses mit einem festen Strahl. Das bringe Glück. Ein ähnliches Verhalten wird ihm nachgesagt, wenn er die Spalte einer gewaltigen Plattenverschiebung überquert.




Freunde der Nacht. Wer sich gegen den Himmel und für die Hölle entschieden hat, sollte vorher Island besuchen. Dort kann er testen, ob er mit dem Schwefeldämpfen an der Gulaschkanone des Teufels zurechtkommt.




Die Schönheit des Ursprungs rührt mich an. Was kann da noch kommen?





Der neue Tag beginnt mit dem berüchtigten Satz mit s, s'ränt. Dusche, Kaffee, erstes und zweites Frühstück. Dann schneit's.

Ich gehe wandern. Der Reiseführer behauptet, das Reykjadalur-Tal sei das beliebteste und schönste Wandergebiet in Ölfus. Nahe dem Gipfel entspringen heiße Quellen, die sich zu einem Bach vereinen und zu Tale fließen. Soweit die Theorie.



Der ausgewiesene Parkplatz ist nicht zu erreichen, auch nicht mit einem Allradfahrzeug. Es liegt so viel Schnee, dass sich der Unterboden des SUV aufsetzt und die Räder den Grip verlieren. Ich stelle das Gefährt an die Seite und laufe. Die Nase ist der Kompass. Lange bevor die typischen Rauchschwaden auftauchen, kann man die Hölle riechen.



Unter dem Schnee ist Iceland. Es tut echt gut, wenn der Schmerz nachlässt.

Auf dem Gipfel geht's heiß zu. Thermen und Fumarolen spenden siedend heißes Wasser oder Schwefeldioxid.




Schnell steht der wagemutige Wandersmann mit einem Bein in des Teufels Nachttopf.



Der Rest des Tages ist schnell erzählt. Ich reise weiter nach Osten. Für die 350 Kilometer brauche ich fast sechs Stunden

Ich komme einfach nicht voran. Hinter jeder Kurve sehe ich etwas neues, spannendes muss anhalten, schauen und meist auch ein Foto machen. Gelegentlich bin ich mir selbst eine Zumutung.




Der Skogafoss ist nicht zu verfehlen. Er liegt direkt an der Ringstraße. und ist schon von weitem zu erkennen. Aus sechzig Metern stürzt das Wasser in die Tiefe.



Für die morgige Unternehmung brauche ich Licht. Gutes, frühes, ungetrübtes Licht. Aber das ist eine andere Geschichte.



Island Gletscher bedecken 11% der Festlandfläche der Insel. Etwa 60% der heutigen Gletscherflächen befinden sich über aktiven Vulkanen beziehungsweise deren Calderen und Geothermalgebieten. Ich habe den beiden Gletschern Breiðamerkurjökull und Snaefellsjökull einen Besuch abgestattet. 






Der Diamond Beach, am Abfluss der Gletscherlagune Jökulsárlón ist das wichtigste Ziel meiner Reise. Der Breiðamerkurjökull-Gletscher kalbt in diese Lagune. Die Strömung  treibt die Eisblöcke dann in Richtung Meer.





Der anhaltend starke Nordostwind der letzten Woche spielte mir in die Karten. Ich konnte auf reiche Beute hoffen.. Der auflandige Wind schiebt einen Teil der Bruchstücke zurück auf den schwarzen Sand. Die Größe und Form der Eisblöcke variiert stark. Manche sind so klein wie ein Schuhkarton, andere so groß wie ein Auto. Die Eisblöcke können verschiedene Farben haben, von tiefem Blau bis hin zu kristallklarem Weiß. 



Wenn Licht darauf fällt beginnen sie zu strahlen und Geschichten zu erzählen. Das erste Licht des Tages, die ersten Sonnenstrahlen des Morgens beleuchten die morbiden Schönheiten bis hin zu ihrer Auflösung. 






Die Betrachtung der Farben und Formen und das fotografische Manifestieren der Motive ist mir das größte Glück. Ich finde diese Bilder zum Heulen schön.



Isländisches Wetter lässt die Hellhörigen schlecht schlafen und hält alle anderen lange beim Frühstück. Cholerische Schwaden von Schneeregen schwappen waagerecht an die Fensterscheiben. Der Wind sorgt für eine dramatische Dauerbeheulung.

Bringt alles nichts. Spaß kost. Manchmal das Leben, manchmal Überwindung. Schön ist das nicht, aber herrlich.



Die Basaltsäulen der Hálsanefshellir Cave entschädigen für alles. Auf dem Weg vom Parkplatz zum schwarzen Sandstrand ist auf einen Anstellwinkel des Oberkörpers von 20-25 Grad zu achten. Der Sturm kommt übers Meer. Die Möven kreisen in Scharen um den Küstenstreifen. Wasser peitscht ins Gesicht, die Brille braucht einen Scheibenwischer.




Zurück am Auto sind tausend Ameisen in den Fingerspitzen angekommen.




Zwanzig Kilometer weiter, ab einer Höhe von 600 Metern scheint die Sonne. Die Bergkuppen leuchten frischbeschneit in der Ferne. Im Rückspiegel ist es dunkel. Was ein Land. Was für Gegensätze.




Die Fahrt führt mich von Vik im Süden über 170 Kilometer in nördlicher Richtung ins Inselinnere. Der Geysir im Städtchen Geysir ist der Namensgeber für alle Geysire dieser Welt. Und, er ist ein Hotspot für so ziemlich jeden Islandtouristen. Prall gefüllte große und kleine Busse mit Menschen aller Nationen und Hautfarbe werden nach Geysir zum Geysir gekarrt, gefüttert und mit Andenken versorgt.

Es waren bereits jetzt, im April, sehr viele Besucher da. Ich möchte nicht wissen, was im Sommer hier los ist.

Hunderte Handys sind auf die Stelle gerichtet, aus dem das "Wunder der Natur" aufschließen soll. Der steife Nordost Wind sorgt für sauertöpfische Gesichter. Im Bruchteil einer Sekunde ist die Gas-Wassersäule zerstoben.

Mir ist ein Foto gelungen. Ich habe es auf der Toilette vor einem Wandbild gemacht.



Nur acht Kilometer weiter ist Islands majestätischer Gullvoss-Wasserfall. Er zählt wie der Geysir zum Golden Circle.

In zwei Stufen donnert das Wasser des Langjökull-Gletschers 32 Meter tief in eine enge Schlucht.

Die Touristen-Heere von Geysir haben natürlich auch den Gullvoss erobert.



Der Kreis schließt sich. Am frühen Nachmittag erreiche ich Reykjavik. Der Blick aus dem Fenster des letzten Hotels ist vielversprechend und wegweisend..

Morgen ist mein letzter Tag auf der Insel. Ich habe mir eine Belohnung ausgedacht.



Zu guter Letzt hatte ich noch Gelegenheit die Aussichtsplattform der Hallgrimskirkja in Reykjavik zu besuchen. Der Aufstieg ist nur möglich, wenn kein Gottesdienst stattfindet.



Der Glockenturm hat einen Lift. Für kleines Geld bekommt man in 75 Metern Höhe eine große Aussicht.





Mein Tipp zum Thema Mietwagen:

Frühzeitig von zu Hause buchen ist eine gute Idee.

Bei Check24 kosten 5 Tage SUV 4x4 schlappe 175€.

Wie die das machen, bleibt mir ein Rätsel.



  1. Eine beste Reisezeit gibt es per se nicht. Es besteht eine direkte Korrelation zwischen der Abenteuerlust und der körperlichen Resilienz. Iceland ist immer für eine Überraschung gut.

  2. Der Sommer ist vielleicht die beste Entscheidung für sanfte Gemüter.

  3. Die Reisedauer habe ich definitiv falsch eingeschätzt. Für den Süden habe ich eine Woche gebraucht, bin 1250 Kilometer Auto gefahren und habe längst nicht alles gesehen.

  4. Für den Norden braucht es einen zweiten Anlauf.


Bei Regelüberschreitungen drohen auf Island drakonische Strafen.

Wichtig! Schafe sind Verkehrsteilnehmer. Uffpasse



Noch ein Tipp für Alleinreisende. Holzköpfe sind gute Zuhörer.

Vielen Dank für eure Geduld und liebevolle Begleitung.


PS: Hier noch die Belohnung für ein unvergessliches Abenteuer. Bevor der Flieger abhebt, gehen Körper und Geist schon mal voraus.




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