Nach vier Jahren ungläubigen Staunens, immer noch unter den Lebenden zu verweilen und zugleich fit zu sein, zünden wir die nächste Stufe. Herr und Frau Milde überqueren die Alpen mit dem Fahrrad von Salzburg an die Adria.
Der Dienstwagen des Rhöners bringt die beiden Unerschrockenen nebst Fahrrädern in die oberösterreichische Metropole der Klassik. Für einen kleinen Groschen findet der Wagen für zwei Wochen ein Zuhause auf dem Gelände des stadtansässigen Flughafens.
Von A nach B
Salzburg
Rezession Hotel H+
Ein vollverglaster Stahlskelettbau auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs.
Unlängst im Juni war ich mit den Rhönern Jungs hier. Wo es schön ist, fährt man nur allzu gerne ein zweites Mal hin.
Unkompliziert, jung, 4 Sterne.
Das Frühstück ist lecker, wenn man die Aussicht aus dem 6.Stock auf die Stulle oben drauflegt.
Die Stadt erscheint mir nach meinem letzten Besuch vor wenigen Wochen in einem neuen Gewand. Irgendwie adretter, chicer, herzlicher als in der Gemeinschaft mit meinen sieben raubeinig, lebenshungrigen Röhner Jungs. Das wird dann wohl an meiner Begleitung liegen.
Wir verbringen zwei Tage in Mozarts Wohnstube.
Unsere handfeste Empfehlung gilt einem Besuch des Salzburger Dommuseums.
Wir lassen uns ein in die Welt der Kaiser, Erzbischöfe und Fürsten, in jene Zeit als Kirche und Staat noch in restriktiver Personalunion geführt wurden.
Das Dommuseum zu Salzburg ist vergleichsweise jung. Während die ersten diözesanen Museen in Österreich um 1890/1900 entstanden, wurde das Museum der ältesten Diözese des heutigen Österreich erst 1974 eröffnet.
Im Taufbecken des Doms wurde kein geringerer als Wolfgang Amadeus Mozart in die Gemeinschaft der Christen aufgenommen. Auch beeindruckende Deckengemälde und Stuckarbeiten, die Kunstinstallation „Vanitas“ und die reich verzierte Orgelempore gibt es zu bestaunen.
Tipp: Beim Rundgang durch das Dommuseum gelangt man auf die oberen Emporen der Kirche. Am Geländer stehend, bekommt man einen Eindruck, ein Gefühl von Größe, Stärke und Macht der gewaltigen Institution Kirche und ihrer gottesgleichen Vertreter.
Am 27.Jänner 1756 erblickte der große Sohn der Stadt das Licht der Welt. Wolfgang Amadeus Mozart
Salzburg- Sankt Johann im Pongau
Am Tag 3 unserer Tour schwingen wir uns auf die Räder.
Wir folgen der Salzach bis nach Sankt Johann. Rund um Hallein sind die Wege gesperrt. Zahlreiche Murenabgänge türmen sich auf. Wir fahren querfeldein.
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Es geht vorbei an Bischofshofen. Anja schwärmt von Sven Hannawald. Ihr Idol gewann 2002 als erster Sportler die Vierschanzentournee mit Siegen in allen vier Wettbewerben und wurde zweimal Skiflug Weltmeister.
Weithin sichtbar, die Burganlage Hohenwerfen
In den späten Nachmittagsstunden erreichten wir Sankt Johann im Pongau. Das über die Landesgrenzen hinaus bekannte Alpendorf mit seinen urigen Hotelanlagen liegt ein paar hundert Meter oberhalb der Stadt.
Erkenntnis:
Wer an der Eisdiele in der Altstadt noch genug Strom im Akku hat, ist klar im Vorteil.
Rezension Tannenhof Alpendorf | Sankt Johann
Leckeres Abendessen bei einem mehrstündigen Sieben- Gänge Häppchen- Menü auf Höhe der Cumulus Wolkengrenze
Ausgezeichnetes Frühstück mit gebeiztem Lachs und hochmützigem Beikoch
Der Alpenhof ist eine wohltemperierte Wellness- Tempelanlage für Körper- Gaumen und Geist
Sicherheit im Fahrradstall
Sankt Johann - Bad Gastein
Die Bikes sind heute nur Statisten. Die meiste Zeit geht es bergauf, gefühlt die ganzen vierzig Kilometer der heutigen Etappe. Spät losgefahren, stellen wir zur Kaffeezeit die Räder bereits wieder auf die Ständer. Das Schlachtschiff Salzburger Hof beherbergte Größen wie Albert Einstein, den Sha von Iran, Pabst Paul ||, Liza Minelli, Shirley Bassey und nun, tata! Anja und Jo.
Tagesziel war der 2246 Meter hohe Stubner Kogel mit seinen neuen Attraktionen, der Hängeseilbrücke und dem Felsensteg.
Beim Anblick der von Menschen besiegten Berge überkommt mich ein schlechtes Gewissen.
Wir Homo Sapiens sind freilich die innovativste und zugleich invasivste Mutation, die je von der Evolution hervorgebracht wurde. Ich schäme mich dafür, dass wir im Namen der Schönheit ihre intimsten Geheimnisse prostituieren.
Gösser Märzen, das Bier von hier ist lecker und spült derlei Gedanken hinweg. Anja und Jo, wir sind keinen Deut besser als der Rest 🙈
Sars Covid 2 hat die Erosion von Bad Gastein beschleunigt. Die Stadt kämpft ums Überleben. Es ist Sommer 2021, ein Sonnabend, es ist 21Uhr. Die Nachbarn des Salzburger Hofes sind in der Depression. Es ist nichts los. Nirgendwo brennt ein Licht.
Rezension Salzburger Hof | Bad Gastein
Ein mondäner geschichtsträchtiger Kasten
Internationales Publikum
Leicht angestaubtes Flair
Bad Gastein- Millstätter See
Am Morgen des 5. Tages nehmen wir die Autofähre von Böckstein nach Mallnitz und begeben uns auf die Alpensüdseite nach Kärnten. In rasanter Fahrt geht's aus 1100m hinab ins Möll Tal. In Spittal verlassen wir den Alpe Adria Radweg und radeln über eine enge, vielbefahrene Bundesstraße nach Seeboden am Millstätter See.
Rezension Hotel Royal X Seeboden am Millstätter See
Das Royal X hat sich als Jugendsportzentrum entpuppt. Passt 😊
Im Innern eine Jugendherberge mit Bullaugenfenstern und Doppelstockbetten
Nicht schlecht, nur anders
Das Vanmoof S3 ist ein Stadtrad. Die vordere Gabel besitzt keine Federung, der Akku ist fest verbaut und lässt sich nicht entfernen. Ich war zunächst skeptisch, den Alpe Adria mit dieser Technik zu bewältigen.
Die Praxis ist eine andere. Das S3 ist flott unterwegs, schafft locker 80km ohne nachzuladen, ist ein Hingucker und sorgt wiederholt für Gesprächsstoff.
Auf 2 Etappen haben wir vorsorglich eBike Tankstellen angefahren und nachgeladen. Genug Power in den Pedalen zu wissen, schenkt Raum für das Rechts und Links abseits der Strecke.
Die Qualitäten des S3 sollten sich im Laufe der Tour noch in einer anderen Disziplin beweisen.
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Seeboden- Tarviso
Ab Villach geht's an der Geil entlang. Italien ruft!
Die Karawanken begrüßen uns in Dunst der Nachmittagssonne.
Über Tarviso geht ein Gewitter runter. Wir flüchten in eine Bar und frönen der herrlich furchtbaren Umstände 🎭
Wir reservieren einen Tisch in der Bar Trattoria Miramonti und schnuppern uns durch das Menü. Im Raum nebenan ist ein Bett aufgestellt und ein Italiener betäubt 23 Zuhörer mit sonor flötiger Stimme. Zunächst hielten wir die Veranstaltung für einen Erste Hilfe Kurs, bis mir ein Chianti schlürfender Elektriker an der Theke auf deutsch erklärte, dass der Mann Matratzen verkauft. Jedes Stück für einen Riesen.
Sein Auftreten ist eine Hausnummer, eine perfekt maskierte Verarsche, eine Zurschaustellung menschlicher Dummheit. Für mich ist der Mann ein pervertierter Verkäufer ohne Skrupel, ohne Gewissen. Und dennoch, er macht einfach seinen Job und den macht er richtig "gut".
Ich bitte Mr. Supersale auf ein Bier an unseren Tisch. Prompt folgt er und liefert die passende Erklärung. Mit seinem Auftreten sichere er sich und seiner Familie ein gutes Einkommen. Bei 22 Kunden sind regelmäßig 4-6 Schwachköpfe dabei...lacht laut, und haut mit der flachen Hand auf den Tisch
Buona notte
Rezension Hotel Rosengarten | Tarviso
Klein aber fein
Supersauber, alles chic
Alles klar, wir sind in Italien. Kuchenberge am Frühstücksbuffet
Tarviso- Venzone
Wir machen einen Abstecher nach Planica. Die Skisprungbegeisterte nahm die dreißig Kilometer Umweg gerne in Kauf.
Auf den Schanzen ist voller Trainingsbetrieb. Mädchen und Jungen verschieden Alters, aus unterschiedlichen Nationen üben sich, einer stürzt, steht wieder auf. Wir erfahren, dass das ganze Jahr über trainiert wird um die TOP Leistung punktgenau abrufen zu können.
Ein imposantes Schauspiel.
Am Mittag, in der Kleinstadt Pontebba, ist Schluss mit lustig. Das Boschsystem meines Cube meldet Fehlercode 530. Akkufehler.
Wir zerlegen den Motor, prüfen die Kabel und Anschlüsse. Das Bike verweigert den Dienst.
In Minutenschnelle zieht ein Gewitter auf. Es kracht und donnert, wir flüchten in ein Lokal. Als der Regen nachlässt fahren wir ohne Strom weiter. Der Abschnitt zwischen Tarvis und Venzone ist der Schönste der Tour. Gewaltige Wasserfälle aus steil aufragenden Felsen stürzen mit einem Höllenlärm in die Tiefe. Der Regen wird stärker. Wir fahren weiter. Es geht durch 38 Tunnel. Manche sind beleuchtet, manche nicht. Da mein Bike keinen Strom und kein Licht mehr hat, fahren wir nebeneinander her. Nach 50 Kilometern ohne Unterstützung bin ich platt.
Wir erreichen unsere Unterkunft und bestellen Bier.
Venzone- Grado
Die letzte Etappe mit 100 Kilometern steht vor der Tür. Von Venzone nach Grado sind 300 Höhenmeter zu bewältigen. Wir schwanken zwischen der Entscheidung eine Werkstatt aufzusuchen oder einfach weiterzufahren. Wir entscheiden uns für Letzteres. Die Tour wird zur Tortur, jeder Anstieg zur Herausforderung. Aus den Trageriemen der Fahrradtasche wird eine Abschleppleine, das Vanmoof S3 zur Zugmaschine. In Udine nehme ich für 30 Kilometer eine Abkürzung mit dem Bahn. Anja fährt alleine weiter. Um 19Uhr radeln wir über den 5 Kilometer langen Damm, der das Festland mit der Insel Grado an der Nordküste der Adria verbindet.
Marktplatz Udine
Grado Dammkrone
Auf den letzten 150km mit dem defekten Bike ohne Unterstützung war ich deutlich über meinem Limit. Der Körper fordert Tribut und lässt es mich spüren.
Ich gehorche, auch wenn Gehorsam nicht meine Disziplin ist.
Tipp: Gegrillter Tintenfisch ❤️❤️❤️ im Bistro L'adresse in der Viale Dante Alighieri 65
Grado gehört zur Provinz Friaul- Julisch Venetien. Die Stadt wurde auf einer, dem Festland vorgelagerten Sanddüne errichtet und zählt heute 8.200 sesshafte Seelen.
Ihre Geschichte reicht zurück bis in die Antike. Einst waren die wehrhaften Krieger hier, später die Kaiserlich- Königlichen mit ihrem Hofstaat und seit hundert Jahren sind alle da. Für uns ist Grado der Zielstrich einer ereignisreichen Radreise mit vielen bleibenden Bildern und Geschichten.
Ein Charterbus mit Fahrradanhänger bringt Mensch und Maschine zurück nach Salzburg. Der Kreis schließt sich.
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