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3D Laser Bruchwandvermessung

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Sprengtechnik 24

Der Rhöner 2.0

Beitrag: Blog2 Post

Reisetagebuch - Irland

Aktualisiert: 18. Aug.

Tag 1 und 2 in Dublin

Der Airbus A321 schlägt seine Reifen hart in die Landebahn des grünen Vorpostens Europas. Köpfe nicken nach vorn, aus den Sitzreihen ist erschrockenes Aufstöhnen zu hören. Ein Kind schreit lauthals los.

Wir schieben unsere Koffer an einen freien Platz in Dublins gläserner Ankunftshalle, vis-à-vis einem Caféstand. Ich bestelle mir einen Americano und verbrenne mir die Zunge. Ich schlürfe gierig am Plastikdeckel und verbrenne sie abermals. Missmutig stelle ich das kochend heiße Getränk auf den beiden Koffern ab. Zwei dienstbeflissene Herren in gelben Servicewesten und blauen Schildmützen schlendern mit ausladenden Armbewegungen vorbei und rempeln den Kofferturm an. Das Heißgetränk hebt ab und zerschellt auf den Steinfliesen. Braun verteilt sich über weiße Sneaker und umstehendes Gepäck. Es hagelt vorwurfsvolle Blicke von allen Seiten. Der Servicemitarbeiter entlässt einen Redeschwall, daraufhin erscheint eine Servicemitarbeiterin, die den Putzservice organisiert.


Studiosus hat ein Empfangsteam hinter der Absperrung aufgestellt. Wir werden auf einer Liste abgehakt und mit witzigen Verhaltensregeln beworfen. In Irland müsse man täglich mit mindestens fünf Leuten reden. Reden sei das elementarste aller Bedürfnisse eines jeden Iren. Dabei sollte die Wahrheit einer guten Geschichte nicht im Wege stehen.

Ein Bus bringt uns ins Hotel. Wir checken ein. Ich halte es nicht aus und drehe mit meiner Knipse einen ersten Kreis. Beim Bäcker am nächsten Eck bekommt Kaffee seine zweite Chance. Mit vier Leuten habe ich schon mal gesprochen, der Anfang ist gemacht.

 

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In der Metropolregion Dublin wohnt ein Viertel aller Iren. Die meisten leben in „Schuhschachteln“ mit horrenden Mieten. Eine Ein-Zimmer-Wohnung kostete 2024 im Durchschnitt 2.200 €. Hinzu kamen 300 € Nebenkosten. Wen wundert es da, wenn es die Leute in die Pubs zieht? Raus aus der Enge und rein ins Leben, abtauchen im dunklen Guinness und goldgelbem irischen Whiskey. Die dunkle Farbe des Guinness, die oft als schwarz beschrieben wird, ist tatsächlich eher ein sehr dunkles Rubinrot, wenn man das Glas gegen das Licht hält. Das kommt hauptsächlich von der gerösteten Gerste.

Ähnlich wie Kaffeebohnen wird auch ein Teil der Gerste für Guinness bei hohen Temperaturen geröstet. Dieser Röstvorgang führt nicht nur zu der charakteristischen dunklen Farbe, sondern auch zu den typischen Aromen, die an Kaffee oder dunkle Schokolade erinnern. In jedem Fall ist dieser Gewöhnungsprozess der erste, den wir erfolgreich absolvieren.


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Der Münchner Reiseveranstalter Studiosus verspricht Kultur und Wissen, Fakten und

Hintergründe, Gaumen-, Augen- und Ohrenschmaus. Wir sind bereit, spazieren durch die Stadt, besuchen St. Patrick's Cathedral mit dem Grab von Jonathan Swift. Der berühmte Satiriker und Autor von "Gullivers Reisen" schrieb sein eigenes Epitaph, das auf einer schwarzen Marmorplatte in der Nähe seines Grabes angebracht ist. Die Inschrift in lateinischer Sprache ist berühmt und drückt seinen wütenden Zorn über die Ungerechtigkeit der Welt aus. Die Übersetzung lautet sinngemäß: "Hier ruht der Körper von Jonathan Swift, Doktor der Theologie, Dekan dieser Kathedrale, wo wilde Empörung sein Herz nicht länger zerreißen kann. Geh, Wanderer, und ahme nach, wenn du kannst, diesen aufrichtigen und hingebungsvollen Verfechter der Freiheit."


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Swift ist in der Kathedrale begraben, in der Nähe des Grabes seiner engen Freundin

Esther Johnson, die er in seinen Schriften "Stella" nannte. Ihre Beziehung war zeitlebens Gegenstand von Spekulationen. Swift soll sogar testamentarisch verfügt haben, im selben Sarg wie sie begraben zu werden.


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Dublin erfüllt meiner Frau einen Herzenswunsch: Wir besuchen die legendären Windmill Lane Recording Studios. Sie sind untrennbar mit der frühen Karriere von U2 verbunden, da die Band dort ihre ersten Alben aufnahm, darunter "Boy", "October", "War" und "The Joshua Tree". Die originale Windmill Lane, wo sich das Studio befand, wurde sogar zu einem Pilgerort für U2-Fans, die die Wände mit Graffiti bedeckten. Auch unser beider Namen sind jetzt dort zu finden.


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Die Liste der Künstler ist beeindruckend: Die Rolling Stones, AC/DC, David Bowie, Kate Bush, Def Leppard, Van Morrison, die Simple Minds und auch The Cranberries haben hier ihre Alben eingespielt. Wir melden uns zu einer Führung an, mischen selbst Musik am Pult und atmen die Luft betörender Klänge.


Tag 3 im County Wicklow und Kilkenny


Darf ich vorstellen? Der linke Ire ist ein deutscher Franke mit einem rollenden R auf der Zunge. Sein Name ist Alexander Nölp, seines Zeichens Studiosus-Guide und Reiseleiter. Der rechte Ire ist Dave. Dave ist unser Busfahrer. Dave behandelt seinen Bus wie seine Geliebte.

Alex und Dave sind gute, alte Freunde.


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Nach zwei Tagen und zwei Nächten in Dublin zieht die Karawane weiter. Im Uhrzeigersinn geht es südwärts in den Wicklow Mountains National Park, ins County Wicklow. Wir reisen zurück ins 6. Jahrhundert, ins Tal der zwei Seen. Nach einer Stunde Fahrt hält der Bus in der Klostersiedlung Glendalough.


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Alex erzählt uns die Legende vom heiligen Kevin, der dort als Einsiedler lebte.

Als Kevin noch ein junger Mönch war und im Frühjahr die Fastenzeit beging, betete er lange mit ausgebreiteten Armen. Kevin stand stundenlang und regungslos knöcheltief im See.


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Eine Amsel landete auf seiner offenen Handfläche. Anstatt den Vogel zu verscheuchen, blieb Kevin ungerührt und still. Die Amsel begann, in seiner Hand ein Nest zu bauen und ihre Eier zu legen. Aus Mitleid und tiefer Verbundenheit mit dem Tier blieb Kevin wochenlang regungslos stehen.

Er hielt aus, bis die Eier ausgebrütet waren und die Küken flügge wurden. In dieser Zeit vergaß er sein eigenes Leiden und fand sich „in das Netzwerk des ewigen Lebens eingebunden“, wie es der irische Dichter Seamus Heaney in seinem Gedicht "St. Kevin and the Blackbird" beschrieb.


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Glendalough ist ein zutiefst mystischer Ort – mit einem Rundturm zur Verteidigung, einem Friedhof, den Ruinen des Klosterdorfes und den beiden Seen hinter der Einfriedung.


Hunger breitet sich aus und führt zu schlechter Laune.

Die Stadt Kilkenny liegt im County Kilkenny in der Provinz Leinster. Im Stadtzentrum ist ein kulturelles Festival ausgebrochen, Menschen schieben sich an Buden vorbei. An einer mit Fleisch und Kartoffeln werfe ich den Anker. Auf den Stufen von Kilkenny Castle, einer anglo-normannischen Burganlage aus dem 12. Jahrhundert, finde ich zurück ins Leben.


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Die Stadt gilt als Hurling-Hochburg – einem traditionellen irischen Nationalsport mit einer Geschichte, die über 2.000 Jahre zurückreicht. Hurling gilt als eines der schnellsten und ältesten Mannschaftsspiele der Welt und vereint Elemente aus Hockey, Lacrosse und Baseball. Jedes Team besteht aus 15 Spielern, die versuchen, einen kleinen Lederball, den Sliotar, mit einem Eschenholzschläger, dem Hurley, ins Tor zu befördern. Es geht ziemlich ruppig zu. Die Versuchung ist groß, einen hastig davoneilenden Gegner mit dem Eschenholz ein wenig „einzuhegen“. Der Platz ist etwa so groß wie beim Fußball, die Tore sehen aus wie beim Rugby. Das Runde muss ins Eckige – mit der Hand, dem Fuß oder mit dem Hurley.


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Am Nachmittag erreichen wir den Rock of Cashel, auch bekannt als den Felsen des heiligen Patrick. Die Anlage ist eine der spektakulärsten und meistbesuchten historischen Stätten Irlands. Zum Glück hat es geregnet – das hält die allermeisten Touristen von einem Spaziergang durch die Ruinen ab.


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Ab dem 4. Jahrhundert war der Felsen der Sitz der Könige von Munster, einem der historischen Königreiche Irlands. Der Legende nach bekehrte der heilige Patrick im 5. Jahrhundert König Aengus an diesem Ort zum Christentum. Das größte Gebäude ist die gotische Kathedrale, die zwischen 1235 und 1270 erbaut wurde. Den Niedergang erlebte der Rock of Cashel im Jahr 1647, als die Kathedrale während der Eroberung durch Oliver Cromwells Truppen niedergebrannt wurde, wobei Hunderte von Menschen starben, die in den Mauern Schutz gesucht hatten.


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Irland schaut auf eine leidvolle Geschichte zurück – auf Kreuzzüge der Normannen, der Wikinger, der Dänen und vor allem der Engländer.

Dabei ist Irland die einzige Nation Europas, die nie einen Feldzug gegen ein anderes Land begonnen oder ausgeführt hat.


Am Abend erreichen wir Cork, deren Bewohner ihre Stadt als die wahre Hauptstadt der Insel ansehen. Cork liegt im Südwesten Irlands, am Fluss Lee, kurz bevor dieser in den Cork Harbour und dann in den Atlantik mündet. Für einen Stadtbummel bleibt keine Zeit. Ich ziehe in der Nacht noch einmal los.


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Tage 4-6 im County Kerry


Der Morgen beginnt, wie der Abend endete, mit irischem Wetter, vierzehn Grad und Nieselregen. Die Iren erkennt man an den kurzen Hosen und T-Shirts, die Touristen an den Regenjacken und Schirmen.


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Das erste Tagesziel ist die Blumeninsel Garinish. Eine Busstunde hinter Cork besteigen wir ein Boot und setzen über. Der Kahn zieht vorbei an grüßenden Kegelrobben und zu Stein erstarrten Kormoranen. Menschengemachtes Idyll erwartet uns auf der Insel. Natur und Landschaft, wie aus einem Hedwig Courts-Mahler Roman. Es regnet und das hat was.


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Das Lake Hotel in Killarney versprüht den dunkel furnierten Charme der Sechziger. Gerahmte Schwarzweißfotos auf den Gängen, verspielte Wasserhähne auf den Toiletten und dicke Bodenbeläge auf ächzenden Treppenstufen erinnern mich an die Welt von Frances Housemann und Johnny Castle in „Dirty Dancing“.


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Abends ab neun spielt in der Bar ein Mann, der in jenen Jahren geboren sein mag, auf seiner Gitarre alte irische Balladen. Seine beiden Töchter singen, tragen den Weltschmerz ins Publikum. Ihre Alt- und Sopranstimmen ergänzen sich wie ein Bogenstrich. Guinness hält standhaft seinen sahnesteifen Schaum in den Gläsern. Die Kellner tragen feinen Zwirn, um die vier Hotelsterne zu rechtfertigen.


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Das Lake Hotel ist Ausgangs- und Endpunkt für drei Tage und Nächte rund um das County Kerry. Auf den dunkelgrünen Wiesen und Weiden wächst der Urstoff für Kerrygold. Hier beginnt der Ring of Kerry, hier startet und endet die Küstenrunde um das Whiskey-Städtchen Dingle.

Die Straßen der beiden Landzungen, die hinaus in den Westatlantik ragen, sind verwinkelte asphaltierte Feldwege mit Gegenverkehr. Seitenspiegel werden eingeklappt, es geht mehr rückwärts als voran. Hinter jeder Kurve schiebt sich ein neues Album vor die Augen, macht den Kopf verliebt in Land und Leute.


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Zusammen mit Alex und Dave sind wir Fünfzehn in einem Fünfzigsitzer Reisebus. Jeder hat eine eigene Reihe vom rechten bis zum linken Fenster, rutscht nach Belieben hin und her.

Mein Platz ist ganz hinten in der letzten Reihe, ein Hinterbänkler, wie eh und je. Und dennoch mit Vorteilen, mit herrlichem 3D Ausblick durch die Heckscheibe, ohne Gang und Ritze, durchgängig von Fenster zu Fenster.


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Wir besuchen einen Schäfer mit seinen Hunden und der Herde, füttern vorwitzige Ziegen und misstrauische Esel. Und wieder ein neues Bild hinter der nächsten Biegung.

Alex besorgt Käse und Whiskey, wir langen zu. Gifts and Coffee für Herz und Seele.


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Auf einem Parkplatz, oberhalb einer zerklüfteten Bucht mit wilden, weißen Schaumrändern, hält der Bus für eine kleine Pause. In einer Ecke sitzt ein Mann auf einer Natursteinmauer und spielt irische Weisen auf seiner Flöte. Er hat seine Schätze vor sich ausgebreitet: selbst gemachten Schmuck vom Medaillon bis zur Halskette. Ich habe keine Eile und höre ihm zu. „Als Gott die Zeit gemacht hat, hat er genug davon gemacht.“

Der Mann steht auf, nimmt ein aufwendig hergestelltes Armband von seiner Decke und reicht es mir. Ich lasse mir von ihm helfen es anzulegen und es passt. Es passt zu mir. Er möchte zehn Euro dafür. Ich habe kein Geld einstecken, gehe mit dem Armband in den Bus. Der Mann nimmt seine Flöte wieder auf und spielt weiter. Ich bringe ihm sein Geld und er lächelt zurück.


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Tag 6 auf den Cliffs of Moher

Die Klippen von Moher stehen heute auf dem Programm. Auf acht Kilometern Länge fallen sie aus zweihundert Metern Höhe fast senkrecht ab ins Meer. Bilder von traumhaften Sonnenuntergängen mit Papageientauchern oder Trottellummen zieren die Postkarten an den Verkaufsständen im unterirdisch erbauten Visitor Center. Die traurige Gewissheit ist, die Cliffs of Moher leiden massiv unter Übertourismus – und wir sind ein Teil davon.


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Der Mensch ist zur Plage geworden, die Schönheit zum Kommerz. Wir werden kanalisiert nach oben und zurück zu den Bussen geführt. Meins ist das nicht.

Die unterschiedliche Erosion der Wechsellagerung von weichem Schiefer und hartem Sandstein schafft Bänke und Brutplätze für Vögel. Ihr Geschrei an den Felsen geht im Gebabbel der Massen unter.

Im Untergeschoss des Besucherzentrums läuft ein fünfminütiger 4D-Clip. Er zeigt mehr und ist besser als das menschliche Gedränge am Hang.

Schade.


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Irland ist flächenmäßig etwa so groß wie der Freistaat Bayern, zählt aktuell knapp fünf Millionen Einwohner, hält sechs Millionen Rinder und acht Millionen Schafe.

Darunter sind viele Schafe mit schwarzen Köpfen. Die Recherche nach einer genetischen Abstammung oder Verbindung mit unserem Rhönschaf lief leider ins Leere.

Die Böcke und oft auch die Auen der Scottish Blackface sind gehörnt., die Rhönschafe nicht Die Wissenschaft hat keine Hinweise auf eine direkte Kreuzung der Rassen. Ihre genetischen Linien haben sich separat entwickelt.

Schade.


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Dave tuckert durch den Nationalpark Burren.

Alex liest eine Geschichte aus Heinrich Bölls "Irisches Tagebuch".

Wie silberne Riesenkäfer ragen die abgeschliffenen, verkarsteten Kalkberge aus den immergrünen Matten der Wiesen und Weiden. Die weißen Farbtupfer sind Schafe. Sie sind immer und überall.


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Mir juckt es in den Fingern: Bohren und Sprengen. Abraum ist keiner drauf. Ein Vorsieb ist überflüssig. Irland hat seine Burren zum Nationalpark erklärt.

Schade. Schade.


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Galway feiert irgendwas. Die Stadt ist bekannt für ihre Studenten in Feierlaune. Die Straßen und Plätze sind voll davon. Knaben und Mädchen flöten in Hauseingängen mit Hüten zu ihren Füßen.


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Wir wippen mit einem Coffee to go zu den Evergreen Brothers an einer Straßenkreuzung. Klimpermünzen erfahren Zustimmung, Scheine ein Lächeln.

Leicht ist das Leben, leicht und schön


Tag 7 und 8 in Connemara


„Am Anfang war das Wort“, so steht es im Johannes-Evangelium. So wurde es uns bei unserer Ankunft am Flughafen Dublin eingetrichtert. Wir sollten täglich mit fünf verschiedenen Leuten reden. Reden sei das elementarste Bedürfnis eines jeden Iren. Was ist daraus geworden?

Nun, wer als Deutscher nicht gerade im Rheinland geboren ist, steht vor einer Herausforderung. Dennoch gibt es Hoffnung.

Bleib mitten in einer Stadt oder einem Dorf, an einer Kreuzung, einer Bushaltestelle, vor einem Pub oder einer Toilette stehen und schau dich um. Bleib einfach ruhig und angewurzelt stehen. Lass dein Handy in der Tasche und den Kopf oben. Es klingt wie ein Naturgesetz: Nach spätestens fünf Minuten kommt ein menschliches Wesen um die Ecke und kümmert sich um dich. Du wirst besser unterhalten, als es die Leute auf deinem Bildschirm jemals vermögen. Ein Ire lässt dich nicht im Stich. Hast du zwei Guinness im Rucksack, ist das Vermächtnis erfüllt.


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Alle Deutschen sitzen pünktlich im Bus.

Wir kommen als Letzte, exakt auf die Minute und sind eindeutig zu spät. Eilig verschwinden die Koffer im Stauraum des Reisebusses.


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Dan O'Hara war ein irischer Pächter aus Connemara, dessen tragische Lebensgeschichte während der Großen Hungersnot in Irland Mitte des 19. Jahrhunderts zur Vorlage einer Ballade wurde.

Wir reisen zurück in die Zeit der Großen Kartoffelfäule nach 1845. Das Elend hatte einen Namen: die Phytophthora infestans, ein pflanzenpathogener Oomyzet, der die Kartoffeln befallen hatte. Als der Pilz aus Nordamerika nach Europa gelangte, breitete er sich in Irland mit erschreckender Geschwindigkeit aus. Über Nacht wurden ganze Felder gesunder Kartoffelpflanzen in eine stinkende, schwarze Masse verwandelt. Die Knollen verfaulten im Boden und wurden ungenießbar.

Dan O'Hara lebte mit seiner Frau und sieben Kindern in einem kleinen Cottage am Fuße der Twelve Bens in Connemara. Er wurde von seinem Land vertrieben, weil er die Pacht, die er an die englischen Eigentümer zu entrichten hatte, nicht mehr bezahlen konnte. England erhob eine „Fenstersteuer“, die immer weiter erhöht wurde. Wer sich Fenster in die Wände brach, zahlte für den Luxus des einfallenden Lichts horrende Steuern.


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Dan O'Hara sah sich gezwungen, seine Heimat zu verlassen. Er emigrierte mit seiner Familie nach New York. Tragischerweise starben seine Frau und drei seiner Kinder während der Überfahrt nach Amerika an Krankheiten und Unterernährung. Als er in New York ankam, war er ein gebrochener Mann. Seine vier überlebenden Kinder wurden bei verschiedenen Familien zur Pflege untergebracht, und er selbst verdiente seinen Lebensunterhalt als Streichholzverkäufer auf den Straßen New Yorks.


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In den Jahren von 1845 bis 1853 verhungerten mehr als eine Million Menschen auf der Insel. Rund zwei Millionen verließen das Land. England leistete keine Hilfe, keinen Beistand. Vor den Türen der Pubs in Liverpool, Birmingham und London stand geschrieben: „No Blacks, no Dogs, no Irish“.


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Der Bus biegt in eine Seitenstraße nach Lettershea, Clifden, in Connemara ein. Wir besuchen Martin O'Hara, einen Nachfahren in achter Generation, in seinem Heritage Center. Martin nimmt uns mit seinem Traktor mit ins Moor. Wir stechen Torf, singen Lieder und trinken seinen selbst gebrannten Whiskey.


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Am Tag der freien Verfügung reist die Gruppe geschlossen ins nahegelegene Kylemore Abby in Connemara, County Galway .

Wohl dem, der seiner Frau ein Castle als romantisches Geschenk machen kann.

Es wurde zwischen 1864 und 1871 von Mitchell Henry, einem wohlhabenden Arzt aus Manchester, für seine Frau Margaret errichtet. Die Familie liebte die Gegend und nutzte das Anwesen für Unterhaltung, Angeln und Jagd. Tragischerweise starb Margaret Henry 1874 während eines Ägyptenurlaubs an Dysenterie. Mitchell Henry und seine Frau sind in einem Mausoleum auf dem Gelände begraben. Es lässt sich leicht finden. Es steht nur wenige hundert Meter entfernt, in einem Waldstück am See.


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Im Jahr 1920 wurde das Schloss von Benediktinerinnen aus Ypern, Belgien, gekauft, die vor dem Ersten Weltkrieg geflohen waren. Sie wandelten es in eine Abtei um und betrieben dort ein Internat und eine Tagesschule für Mädchen, die bis 2010 bestand.

Das für uns spannendste Bauwerk des Gesamtensembles ist zweifellos der viktorianische Garten. Die Benediktinerinnen bauen exakt das gleiche Gemüse an, wie in Mamas Garten. Weißkohl, Stangenbohnen, Möhren, Sellerie, Kartoffeln, Spinat und Zucchini. Ordentliche Beete, von Unkraut befreite Pfade, gerade Linien. Kopfnoten für Ordnung und Fleiß, eine glatte 1. Das Wochenendhaus am Hang beherbergt alles, was es braucht. Zwei Stühle auf der Veranda, eine untergehende Sonne und samtig weichen sechzehnjährigen Blackbush.


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In Donegal beginnt meine Whiskykarriere, die mich bis zum Boarding in Dublin begleiten soll. Ab Donegal ist jeder Pub eine Wohnstube. Auch Hotelzimmer sind "Schuhschachteln".


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Tag 9 William Butler Yeats

Der neue Tag beginnt mit Sommerfrische. Dave chauffiert uns ans Meer, zum Strandhill Beach in der Grafschaft Sligo. Mir ist der Atlantik eindeutig zu frisch, die Badehose bleibt im Koffer, der Fingertest war negativ.


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Um die irische Mentalität besser zu verstehen, hilft ein Blick auf die Geschichte der letzten zweitausend Jahre. Aus ein paar wichtigen Puzzleteilen ergibt sich ein Bild. Beginnen wir mit der Glaubensfrage.


Bevor sich die Christianisierung in Europa ausbreitete, hatten die Iren einen polytheistischen Glauben, der als keltische Mythologie gelebt wurde. Ihr Glauben war tief in der Natur verwurzelt, mit mehreren Gottheiten für jeweilige Zwecke. Alex erzählt auf unserer Reise viele Geschichten aus dieser Anderswelt, von parallelen Realitäten unter Bergen und Hügeln oder im Meer.


Das Kuriose ist, dass die Römer nie ein Interesse an Irland, an den „Wilden“ in den Mooren, hatten. Sie betrieben Handel über die See und beließen es dabei. Das Römische Reich endete vor Irlands Küste.


Und dennoch wurde ab dem 5. Jahrhundert der römisch-katholische Glaube staatstragend. Das Wunder hat einen Namen: der Heilige Patrick. Seine Geschichte ist eine Mischung aus historischen Fakten und Legenden, die ihn zu einer der wichtigsten Figuren in der irischen Geschichte gemacht haben.


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Patrick wurde in Britannien geboren und im Alter von 16 Jahren von irischen Piraten entführt. In Irland hat er sechs Jahre als Schafhirte gearbeitet und in dieser Zeit Trost im christlichen Glauben gefunden. Dann gelang ihm die Flucht. Einem Traum zufolge sollte er zu einem Hafen gehen, wo er ein Schiff fand, das ihn zurück nach Britannien brachte. Dort wurde er Mönch und Priester, und die Legende besagt, dass er eine Vision hatte, in der er nach Irland zurückgerufen wurde, um den Menschen dort den christlichen Glauben zu bringen.


Patrick kehrte im Jahr 432 als Bischof nach Irland zurück. Er reiste durch das Land, gründete Kirchen, Klöster und Schulen und taufte Tausende von Menschen. Er passte den christlichen Glauben so an, dass er für die heidnischen Kelten verständlich war, was ihm half, das Christentum erfolgreich zu verbreiten. Der Legende nach soll er das dreiblättrige Kleeblatt benutzt haben, um den Iren die Heilige Dreifaltigkeit zu erklären. Dies machte das Kleeblatt zu einem bleibenden irischen Nationalsymbol.


Der Heilige Patrick war ein Empath, ein Sympathieträger, der es vorzüglich verstand, die Menschen mitzunehmen, ohne sie zu entwurzeln. Die Tragik seines Wirkens besteht darin, dass der Heilige Patrick mit seiner Missionierung im 5. Jahrhundert bereits ein Saatkorn für den heutigen Nordirland-Konflikt gelegt hat.


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Der Glaubenskonflikt zwischen England und Irland hat weniger mit der Reformbewegung unter Martin Luther in Zentraleuropa zu tun, sondern vielmehr mit der Weigerung von Papst Clemens VII., die Ehe Heinrichs VIII. mit Katharina von Aragón zu annullieren. Heinrich wollte die Ehe scheiden lassen, da er sich einen männlichen Thronfolger wünschte, den Katharina ihm nicht schenken konnte.


Als der Papst die Annullierung verweigerte, brach Heinrich VIII. mit der römisch-katholischen Kirche. Im Jahr 1534 erließ das englische Parlament die sogenannte Suprematsakte. Dieses Gesetz erklärte den König zum alleinigen „Oberhaupt der Kirche von England“ und löste die englische Kirche aus der päpstlichen Autorität.


Oder, um es im Jargon der Straße auszudrücken: Heinrich VIII. hat sich die römisch-katholische Kirche samt aller Güter und Reichtümer unter den Nagel gerissen. England wurde im 16. Jahrhundert protestantisch, die anglikanische Kirche war geboren.


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Wir bleiben im Thema und besuchen die Grabstätte des Schriftstellers und Nobelpreisträgers William Butler Yeats in Drumcliff in der Region Sligo. Er erhielt den Preis im Jahre 1923 für sein künstlerisches Gesamtwerk. Er glaubte, dass Irland eine eigene kulturelle Identität schaffen und wiederentdecken müsse, die frei von britischem Einfluss sei. Er förderte irische Mythen und Folklore in seiner Dichtung und half bei der Gründung des Abbey Theatre, um irischen Dramatikern eine Bühne zu geben.


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Yeats starb 1939 in Frankreich. Sein letzter Wunsch war es, nach einem Jahr, wenn der Trubel der Zeitungen vorbei wäre, in Drumcliff begraben zu werden. Die Überführung seiner sterblichen Überreste fand jedoch erst 1948 statt, da der Zweite Weltkrieg dazwischenkam.


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Sein Grab befindet sich auf dem Kirchhof der St. Columba’s Church. Es ist ein einfacher Grabstein aus Kalkstein, mit der Inschrift:


Cast a cold Eye on life, on death. Horseman, pass by!

Wirf einen kalten Blick

auf Leben, auf Tod.

Reiter, zieh vorbei!

Womit er vermutlich uns, seine Besucher, meint. Das klingt wie eine Aufforderung: Verschwenden wir also keine Zeit damit, uns über unser Schicksal zu grämen. Akzeptieren wir die Realität von Leben und Tod und ziehen weiter.


Tag 10 mit einem Geheimtipp

Gelegentlich verlasse ich mich auf das Glück des Ahnungslosen. Als wir die Irlandreise im Netz gebucht haben, stand da etwas von einer optionalen Tour zu den „Klippen von Slieve League“. Wir haben das Häkchen auf gut Glück gesetzt.


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Gestern Abend sprach Dave von halsbrecherischen Abfahrten und engen Kurven, in denen sein geliebter Bus hoffentlich heil bleibt. „Alles richtig gemacht“, denke ich und breite Rucksack, mein zweites Frühstück und die frisch aufgeladene Kamera auf der Rücksitzbank aus. Dave hat die saubere Heckscheibe geputzt. Toller Kerl.


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Entlang der Küste geht die Fahrt zur Südwestspitze des County Donegal. Dann geht es hoch, die Straße wird enger, bis der Bus nicht mehr weiterkommt. Studiosus hat vorgesorgt. Ein kleiner Bus bringt uns noch ein Stück weiter nach oben. Mit 601 Metern gehören die Klippen von Slieve League zu den höchsten Seeklippen Europas.


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Mein Herz macht einen Freudensprung. Es sind nur wenige Besucher da, die Absperrungen an den Klippen gelten den Schafen, es gibt keine befestigten Wege, das Thermometer zeigt zwölf Grad und horizontalen Nieselregen bei Windstärke 9. Genau so habe ich mir das gewünscht.


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Der Schreibtisch des Riesen
Der Schreibtisch des Riesen

Schweiß tritt aus den Poren, Raucherlungen pfeifen, Whiskybeine wanken. Die Besenheide blüht in voller Pracht. Was für ein Ort, was für ein Glück des Ahnungslosen.


Der County Donegal ist abgelegen und dünn besiedelt, mit wenig Perspektive für junge Leute. Die Abwanderung ist hoch. Es braucht Ideen und Engagement, es braucht Macher.


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Der Priester Father James McDyer war so einer. Er gründete 1967 das Freilichtmuseum Glencolmcille Folk Village, um den Menschen vor Ort eine Perspektive zu geben.


Das Museum ist als kleines Dorf aufgebaut. Jedes der strohgedeckten Häuser ist ein exakter Nachbau einer Wohnung, die von Einheimischen in drei aufeinanderfolgenden Jahrhunderten ab 1700 genutzt wurde. Die ausgestellten Werkzeuge und Gebrauchsgegenstände geben einen Einblick in das Leben der ländlichen Bevölkerung als Bauern und Fischer im 18., 19. und frühen 20. Jahrhundert. Alex erklärt, zeigt uns den Weg, kümmert sich um seine Herde. Ein Reiseleiter ist wie ein Schäferhund: Durchzählen, zusammenführen, wieder und wieder.


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So manches Ausstellungsstück findet sich baugleich im Schuppen meines Vaters in der Rhön wieder.


Die Adresse ist Folk, Dooey, Glencolumbkille, Co. Donegal, F94 DN22, Irland. Der Ort liegt direkt am Meer in einer Bucht mit einer Sandbank in seiner Mitte.

Vom Westerwald bis hierher sind es 1218,77 Kilometer. Ein Katzensprung.


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Zurück in Donegal, machen wir uns in der nächsten „Schuhschachtel“ frisch und finden uns in der Wohnstube ein. Im Pub ist Livemusik, die Hütte ist voll. Von jung bis alt sind alle da. Die Leute hinterm Tresen verstehen auf Anhieb meine zweifingrige Gebärdensprache. Black Bush ist lecker.


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Zum Tagesausklang noch ein Tipp für Vielreisende: Nach dem fünften, sechsten Hotel in Folge sollte man nachts gut darauf achten, welche Tür ins Bad und welche auf den Flur führt...


Tag 11 Derry oder Londonderry

Wir fahren die N13 nach Norden und passieren die grüne Grenze ins Vereinigte Königreich Nordirland. Die Nummernschilder der Autos werden gelb und das Zahlungsmittel ist das Pfund.


Als das Parlament nach Annahme des Brexits laut darüber nachdachte, Grenzkontrollen zur Republik Irland einzuführen, tauchte das Bekennervideo eines vermummten Mannes auf. Er drohte, im Falle von Grenzkontrollen sämtliche Grenzstationen in die Luft zu sprengen. Die Grenze ist grün geblieben. Für viele Iren ist bereits der Name Londonderry eine Zumutung. Für sie ist und bleibt es Derry.


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Ein Blick in die Geschichte zeigt die Entwicklung auf, bis hin zur Zweistaatenlösung.


Bereits im Jahre 1169 fielen die Normannen in Irland ein und eroberten große Teile der Insel. Sie führten das Feudalsystem ein, bauten Burgen und integrierten die Insel in das anglo-normannische Reich. Damit begann vor 850 Jahren die englische Herrschaft über Irland.


Unter den Tudors im 16. Jahrhundert begann England mit der vollständigen Eroberung Irlands. Die englischen Könige sahen Irland als potenzielle Bedrohung an und versuchten, die Macht der irischen Clanoberhäupter zu brechen. Dies führte zu den sogenannten Plantations, bei denen irische Ländereien enteignet und an englische oder schottische Siedler vergeben wurden. Diese Politik der Kolonialisierung und Enteignung führte zu tiefem Misstrauen und tiefgreifenden Konflikten.


Ab 1650 eroberte Oliver Cromwell ganz Irland mit brutaler Gewalt. Seine Kampagne war von Massakern und Massenvertreibungen begleitet. Die darauf folgenden Strafgesetze diskriminierten Katholiken massiv, indem sie ihnen Landbesitz, Bildung und politische Ämter verwehrten. Dies schuf eine tief verwurzelte soziale und politische Spaltung zwischen der katholischen irischen Mehrheit und der protestantischen anglo-irischen Minderheit.


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Zu Beginn des 16. Jahrhunderts war Irland zu 80 Prozent mit Eichenwäldern bedeckt. Zweihundert Jahre später war die Insel bis auf 1 Prozent der Waldfläche gerodet. Aus den Eichenwäldern wurden englische Schiffe und Holzkohle zur Eisenverhüttung. Eine Legende besagt, dass einst ein Eichhörnchen von der West- bis zur Ostküste springen konnte, ohne ein einziges Mal den Boden zu berühren.


1801 wurde Irland durch den "Act of Union" mit Großbritannien zum Vereinigten Königreich von Großbritannien und Irland vereint. Dies beseitigte die irische Gesetzgebung und führte zu einer direkten Herrschaft aus London.


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"Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht."


Der Osteraufstand von 1916 und der Irische Unabhängigkeitskrieg führten schließlich zur Teilung der Insel. 1922 entstand der Irische Freistaat. Sechs Grafschaften im Nordosten, in denen die Protestanten mit 65 Prozent Bevölkerungsanteil eine Mehrheit bildeten, blieben jedoch Teil des Vereinigten Königreichs.


Während sich in der Folge die Republik Irland konsolidiert, kommt Nordirland nicht zur Ruhe.

Die in Nordirland verbliebene Minderheit der Katholiken wurde systematisch ausgegrenzt. Wahlbezirke wurden so zugeschnitten, dass Protestanten selbst dort die Mehrheit im Parlament hatten, wo sie in der Bevölkerung eine Minderheit bildeten. Katholiken hatten kaum Einfluss in der Politik. Landkauf war ihnen verboten, auf dem Arbeits- wie dem Wohnungsmarkt waren sie das fünfte Rad am Wagen.


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Ende der Sechziger begann die Zeit der Bürgerrechtsbewegung, die Zeit der "Troubles". Paramilitärische bewaffnete Gruppen wie die IRA auf Seiten der Katholiken und der Ulster Volunteer Force (UVF) auf Seiten der Unionisten wendeten offene Gewalt gegeneinander an.


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Dies mündete im "Bloody Sunday" am 30. Januar 1972. Britische Soldaten erschossen bei einer unbewaffneten Demonstration in Derry 14 Zivilisten.


Angesichts der Eskalation der Gewalt übernahm die britische Regierung 1972 die direkte Kontrolle über Nordirland, das nordirische Parlament wurde suspendiert.


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Erst mit dem Karfreitagsabkommen im Jahre 1998 begann die Teilung der Macht zwischen den beiden Glaubensgruppen und die Entwaffnung der Paramilitärs.


Einer Volkszählung von 2024 zufolge liegt der Anteil der nordirischen Katholiken erstmals höher als der der Protestanten.


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Wir sind betroffen. Derry oder Londonderry hinterlässt ein schwermütiges Gefühl in der Reisegruppe.


Ich brauche Ausgleich und gehe zur blauen Stunde noch einmal hinab, zur Friedensbrücke über den Fluss Foyle. Sie soll helfen, die Gräben zu überwinden.


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Tag 12 am Gaint's Causeway

Die nahezu täglichen Check-ins und Check-outs sind von Studiosus vorzüglich organisiert: Schlüssel übernehmen, abgeben, Dankeschön.


Neuer Tag, neues Glück: Die erste Station ist ein touristisches Highlight.


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Die Burgruine Dunluce Castle ist eine der bekanntesten und beeindruckendsten historischen Stätten in Nordirland. Spektakulär auf einem Basaltfelsen an der rauen Küste des County Antrim gelegen, zwischen den Ortschaften Portballintrae und Portrush, machen ihre Geschichte und dramatische Lage sie zu einem faszinierenden Ort.


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International bekannt wurde Dunluce Castle als Kulisse in der Serie Game of Thrones, wo sie die Burg des Hauses Graufreud, "Pyke", darstellte.


Auch um Dunluce Castle ranken sich Legenden. Eine besagt, dass in einer stürmischen Nacht im Jahr 1639 der Felsvorsprung mit der Küche und den Bedienstetenräumen ins Meer stürzte. Dabei kamen alle Küchenangestellten ums Leben, bis auf einen jungen Küchenjungen. Er überlebte, weil er wegen Faulheit in die hinterste Ecke des Raumes verbannt worden war, die nicht mitgerissen wurde. Man erzählt sich, dass in stürmischen Nächten immer noch die Schreie der Verunglückten und das klappernde Geschirr zu hören sind, wenn der Wind über die Ruinen heult.


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Am Eingangstor der Bushmills Destillerie steht der poetische Spruch: "Wie aus Wasser Gold gemacht wird." Er ist eine Metapher für die Alchemie, die aus unscheinbaren Grundstoffen Genuss und Freude hervorbringt.  Während einer Führung verstehe ich immer besser, warum mich dieser Whisky so glücklich macht. Im Gegensatz zu den schottischen Pendants wird der irische Whisky dreifach gebrannt. Diese dreifache Destillation ist ein zentrales Merkmal der irischen Herstellung und sorgt für die bekannte Milde und Weichheit, die Herrn Milde so gut bekommt.


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In nahezu jedem Pub steht Black Bush griffbereit vorne im Regal. Black Bush ist ein Blended Whisky mit einem ungewöhnlich hohen Anteil von über 80 % Single Malt Whisky. Dieser wird mit einem Anteil von zwanzig Prozent Grain Whisky vermählt, was dem Blend eine besondere Ausgewogenheit verleiht.


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Der Single Malt reift hauptsächlich in Oloroso-Sherryfässern. Diese Fässer verleihen dem Whisky seinen charakteristischen, fruchtigen und nussigen Geschmack sowie seine dunkle, rötliche Farbe. Der Grain Whisky und ein Teil des Malt Whiskys reifen zudem in ehemaligen Bourbonfässern aus amerikanischer Eiche, die Vanille- und Karamellnoten beisteuern. Nach sieben bis acht Jahren Reifung werden die Gläser mit einem Lächeln über den Tresen gereicht und mit einem ebensolchen entgegengenommen.


Und dann sind wir endlich da: am Giant's Causeway – meinem Sehnsuchtsort.


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Alex hätte mich früh am Morgen ohne Essen und Trinken aussetzen und am Abend wieder einsammeln können. Mir hätte es an nichts gefehlt. Ich bin in Mamas Schoß, inmitten abertausender Sechsecke, Basalt im schönsten Sonntagskleid, rein, gewaschen, umspült von glasklarer Schönheit. Giant's Causeway, meine Sehnsucht.


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Tag 13 in Belfast

Zwei Nächte und ein Tag stehen für Belfast auf dem Programm. Noch vor drei Jahrzehnten war Belfast eine der drei Hochrisikostädte mit B, in denen das Herz kurz stolperte, bevor man den Zündschlüssel nach rechts drehte: Bagdad, Beirut und Belfast.


Heute ist Belfast eine Partymeile, eine pulsierende Großstadt mit vielen Touristen. Wir ziehen um die Häuser, ziehen uns Livemusik rein, Guinness und Whiskey.


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Der Early Bird gönnt sich Belfast im Morgengrauen. Ab Sechs stehe ich auf der Straße und drehe einen Kreis. Hier ein paar Müllmänner, dort ein Laden, in dem es Kaffee gibt. Leere vierspurige Straßen. Es nieselt und es sind vierzehn Grad. Um Sieben reißt der Himmel auf. Häuser, Brücken, Straßenlaternen glänzen vor triefendem Licht und spiegeln sich im Lagan. Bettler schlafen eingerollt in Plastik auf blanken Betonsockeln. Tauben streiten sich um Essensreste. Um Acht sitzen wir beim Frühstück, um Neun im Bus.


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Dave fährt uns in den Westen Belfasts.

In der Falls Road stoppt der Bus. Entlang einer hohen Betonmauer mit Stacheldraht sind verschiedene Wandbilder, sogenannte Murals, auf den Beton gesprüht, die den Nordirlandkonflikt aus katholisch-republikanischer Sicht darstellen. Dann biegt der Bus rechts ab und wir passieren ein großes Tor in die Shankill Road. Deren Murals zeigen die protestantisch-loyalistische Sicht auf die Dinge. Das Tor wird auch heute noch in den Nachtstunden geschlossen, um Unruhen vorzubeugen. Obwohl das Karfreitagsabkommen den Konflikt 1998 beendete, stehen die meisten "Peace Walls" weiterhin. Sie trennen die katholischen von den protestantischen Wohnvierteln und sind ein sichtbares Zeichen der tiefen Spaltung, die in der Gesellschaft noch immer existiert.


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Alex führt uns durchs Ulster Museum und macht Halt vor einer Schultafel.


Sie trägt die Aufschrift "Difference" und ist ein Requisit aus der bekannten britischen Sitcom "Derry Girls".

​In einer Episode der Serie kommen Schülerinnen einer katholischen Mädchenschule mit Schülern einer protestantischen Jungenschule zusammen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erörtern.


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Die Aussagen sind ein satirisches und oberflächliches Sammelsurium von Klischees, die den Konflikt ad absurdum führen.


​Protestanten bewahren ihre Toaster im Schrank auf.

​Katholiken lieben ABBA.

​Protestanten mögen Gartenarbeit.

​Katholiken sind begeistert von Statuen.

​Protestanten haben oft zwei Vornamen.

​Katholiken spielen Bingo


Was hat es der Mensch doch so schwer, menschlich zu sein und zu bleiben

Am Nachmittag gehen wir mit der Titanic unter. Wir besuchen ihre Geburtsstätte und das zugehörige Museum. Wem’s gefällt, der muss da hin und es sind sehr, sehr viele da, die extra angereist sind. Den Abend verbringen wir sinnvollerweise wieder in einem der unzähligen Pubs mit Gesprächen und Livemusik.


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Tag 14 und 15 Brú na Bóinne

Der Kreis schließt sich. Wir pirschen uns an Dublin heran. Morgen geht der Flieger zurück nach Hause. Noch einmal werden die Koffer im Bauch von Dave's Bus verstaut, noch einmal wird durchgezählt, ein letztes Mal nehme ich die Rückbank in Beschlag.


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Zum Abschluss gibt es eine geballte Ladung Kultur auf Augen und Ohren.

Zwischen Belfast und Dublin liegt das Brú na Bóinne Tal, die Wiege der irischen Geschichte.


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Vom Brú na Bóinne Visitor Centre bringt uns ein Kleinbus in die Jungsteinzeit 3200 vor Christi. Die Hügelgräber von Knowth sind älter als die Pyramiden in Ägypten. ​Knowth beherbergt die größte Sammlung megalithischer Kunst in Europa mit über 200 verzierten Grauwacke Steinen. Viele davon sind mit Spiralen, Zickzack- und Parallellinien verziert. Der große Haupthügel ist von 17 kleineren Satellitengräbern umgeben.


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Ein Stück weiter, in Newgrange erwartet den geneigten Besucher eine kleine Überraschung. Dieser Grabhügel ist begehbar. Newgrange ist berühmt für seine astronomische Ausrichtung. Während der Wintersonnenwende, am 21. Dezember, scheint die Sonne durch eine Öffnung über dem Eingang direkt in die Grabkammer und beleuchtet diese für etwa 15 Minuten. Die Legende besagt, dass es in diesem Zeitfenster der Seele ermöglicht wird, dem Licht nach außen entgegenzustreben.

Den Abschluss bildet ein Meisterwerk der keltischen Steinmetzkunst, das Muiredach- Hochreuz in Monasterboice. Es stammt aus dem 10. Jahrhundert ist somit 1500 Jahre alt. Der keltische Friedhof wird von der gleichnamigen Gemeinde weitergenutzt. Ein schöner Platz für ein seliges Ende.


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Am Tag 15 werden Hände geschüttelt und Freunde verabschiedet. Am Gate 21 wird die Business Class zum Bording für den Flug nach Frankfurt ausgerufen, während zwei Passagiere der Holzklasse zu einem Pub im Durchgangsbereich trotten. Black Bush wird bestellt, doppelt. Alex's tägliche Begrüßung wird mir fehlen. "Guten Morgen meine Damen und Herren, liebe Studiosi. Und wieder beginnt ein neuer Tag auf der unglaublichsten Insel aller Universen."

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