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Vernazza, Cinque Terre

Vernazza, Cinque Terre

Corniglia, Cinque Terre

Corniglia, Cinque Terre

Göteborg

Göteborg

Schäreninsel

Schäreninsel

Rhöner Jungs im Allgäu

Rhöner Jungs im Allgäu

Rammstein in Vilnius

Rammstein in Vilnius

3D Laser Bruchwandvermessung

3D Laser Bruchwandvermessung

Sprengtechnik 24

Der Rhöner 2.0

Beitrag: Blog2 Post
AutorenbildJoachim Milde

Europe Autumn Tour

Aktualisiert: 31. Okt. 2022

Tour Verlauf



Stell dir vor es ist Ende Oktober und der Wetterbericht malt dir eine dicke Sonne auf das Display deines Smartphones. Das Quecksilber wird die Zwanzig knacken. T-Shirt Wetter soll es geben.



Stell dir vor, du hast Urlaub und Bock auf eine Radreise mit deiner[m] Liebsten von Basel quer durchs Land, über schwarze Berge, durch ein Meer bunter, wirbelnder Blätter....zur nächsten Kaffeestube, zur Besenwirtschaft oder ins Feinschmeckerlokal im Altstadtgässchen.

Morgen, morgen geht es los...



Doch nicht heute.

Heute gibt's die Editors

auf die Rippen

auf die Ohren

auf die Titten

auf den Mund

Indie-Rock hält kerngesund




2. Hadamar - Basel - Laufenburg


Auf die Bahn ist einfach kein Verlass. Nicht mal auf ihre Unpünktlichkeit kann man noch vertrauen.

Wegen der knappen Umsteigezeit von 19 Minuten am Hauptbahnhof Frankfurt hat unser Wecker eine Stunde früher geläutet. Wir sind auf Nummer sicher gegangen und haben einen Zug früher genommen um genügend Zeit für den Umstieg mit zwei Fahrrädern und Gepäck zu bewerkstelligen.

Und siehe da, die Ankunft des RB22 von Limburg nach Frankfurt war eine Punktlandung. In der zügigen Bahnhofshalle zog sich die Wartezeit wie ausgelutschter Kaugummi. Nicht genug dieser Unverfrorenheit, verlässt der ICE 275 von Berlin kommend die Hessenmetropole exakt nach Fahrplan um die Mildes ebenso pünktlich am SBB in Basel wieder auszuspucken. Dieses inakzeptable Verhalten macht mich schwindelig, sprach- und wutlos 😉



Die erste Station unserer Radreise ist Rheinfelden am Hochrhein. Ich bin zurück an einem Ort, der mein Leben maßgeblich geprägt hat.

Von 2007 bis 2010 habe ich mitgebaut am neuen Flusskraftwerk Rheinfelden, einer länderübergreifenden energiepolitischen Gemeinschaftsarbeit zwischen Deutschland und der Schweiz. In meiner Funktion als Sprengingenieur durfte ich die Sprengarbeiten für das 36 Meter tiefe Fundament des Kraftwerks und seinen 2 Kilometer langen, 90 Meter breiten Auslaufkanal leiten. Die Aufgabe bestand darin, mehr als eine Million Kubikmeter Gestein unter der Wasseroberfläche durch Sprengen zu lockern. Ein Flusskraftwerk lebt von der Fallhöhe zwischen dem Einlauf an der Wasseroberkante und den Schaufelrädern der Turbinen. Der Höhenunterschied von 9,1 Metern wurde durch den Gesteinsabbau im Auslaufbecken erreicht.



Hochwasser auf der Baustelle


Die Fertigstellung ist mehr als zehn Jahre her. Inzwischen ist viel Wasser den Fluss hinab geflossen und produziert seither grünen Strom in R(h)einkultur.

Vor allem den Schweizer Anwohnern galt ich als verhasste Person, die ihr Wohneigentum bei 648 Sprengungen leichtfertig und verantwortungslos aufs Spiel gesetzt hat. Am Ende hatten wir nahezu keine Schäden zu verantworten, die auf unsere Tätigkeit zurückgeführt werden konnte. Nach der letzten Bausitzung der Arge verabschiedete sich der Geschäftsführer des Auftraggebers EnBW von mir mit den Worten "Herr Milde, ich bin erleichtert und froh, dass ich sie jetzt nicht mehr sehen muss".

In Laufenburg habe ich heute unter meinem eigenen Namen wieder ein Zimmer gebucht.

Laufenburg (D) und Laufenburg (CH)



3. Südschwarzwald


Das Hotel Rebstock in Laufenburg ist ein gutes altes Wirtshaus mit ansprechender Küche. Vom Balkon blickst du auf den Rhein und auf die Eidgenossen in den beleuchteten Fenstern der gegenüber liegenden Flussseite.

Bevor du schlafen gehst, stellst du deine Sportschuhe raus um in Selbige am nächsten Morgen in neuer Frische wieder hineinzuschlüpfen. Wider Erwarten sind diese mit der leichten Bewölkung des Wetterberichts randvoll gefüllt.



Ich fahre ohne Strümpfe los, wenigstens stimmen die Temperaturangaben. Nach wenigen Kilometern kommen wir am schweizerischen Atomkraftwerk Leibstadt vorbei. Der 1984 erbaute Siedewasserreaktor ist für eine Laufzeit von 60 Jahren ausgelegt, Zukunft offen.


Richtung Waldshut macht der Rhein auf dicke Hose, nimmt sich Raum und macht sich breit. An der Mündung der Wutach biegen wir nach Norden in den Schwarzwald ab. Mit jedem Kilometer wächst die Enttäuschung. Die Wutach ist ein uniformierter Vorfluter des Rheins, am Reißbrett mit Zirkel und Lineal begradigt, durchgeplant und durchgezogen.

Über zwanzig Kilometer geht das so weiter bis Stühlingen. Rechts und links ein Damm, in der Mitte gähnende, glucksende Langeweile.



Dann geht's rauf in die Berge. Es wird schön, wunderschön. Schmale, asphaltierte Wege winden sich steil bergauf. Kurze knackige Abfahrten stellen die Mundwinkel auf Halbmond. Aus dem Karst rund um Donaueschingen entspringt ein ewiger Zankapfel. "Brigach und Breg, bringen die Donau zuweg" Während sich die Offiziellen um den tatsächlichen Standort der Quelle streiten, zapfen wir eine eigene an. In Bad Dürkheim wird heißer Zwiebelkuchen mit schwarzem Kaffee über den Tresen gereicht. Nach 90 Kilometer checken wir im Hotel Sombea in Villingen Schwenningen ein.




Die Sportschuhe werden windgetrocknet unter dem Hotelbett platziert.


4. Schwarzwald Querung


Der neue Tag beißt in alles was hervorsteht. Nase, Fingerspitzen Fußzehen. Durch den Atem beschlägt die Brille. Wir nehmen die ersten Anstiege mit Wucht, um warm zu bleiben. Heute queren wir den Schwarzwald von Ost nach West, von Villingen Schwenningen nach Offenburg. Das Tagesziel ist Straßburg. Auf den ersten dreißig Kilometern scheinen nur Kühe und Ziegen zu wohnen. Es riecht nach Herbst, erdig, holzig, moosig, nach Kastanie und Haselnuss, nach Misthaufen und frischer Kuhscheiße, manchmal süßlich nach Raps oder nach reifen Äpfeln. Die Erde atmet aus.







Auf der Falkenhöhe ist bei 850 Höhenmetern Schluss mit lustig. Motorsägen kreischen, Bäume fallen, Schilder und Bänder verhindern die Durchfahrt.

Google kennt ein paar gestrichelte Wege Richtung Westen. Wir nehmen einen. Er endet an einem Windrad. Ein Pfad führt weiter, führt abwärts, steil und alternativlos abwärts. Auf Höhe 550 stoßen wir wieder auf Kühe, eine Feldscheune und einen festen Weg. Eine gute Stunde später sind wir wieder oben, bevor die Fahrt entlang der Kinzig rasant zu Tale geht.




Straßburg ist Kontrastprogramm. Wir kennen und lieben diese Stadt, sind nicht zum ersten und garantiert nicht zu letzten Mal hier...







Der Namen unseres Hotels "Tandem" ist Programm.. Es liegt zentral, gegenüber dem Hauptbahnhof.. Die Bikes stehen sicher in einem Raum im Innenhof. Der Hotelmanager hat Kabel und Stecker besorgt, damit alles wunschgemäß funktioniert. Das Frühstück ist nach Art der Radfahrer. vielfältig, reichhaltig, lecker.


2 place de la Gare

67000 Straßburg


Bonne nuit ma belle


5. Rheinabwärts


Wir bleiben auf der französischen Seite und fahren nach Norden. Am Stadtausgang von Straßburg ruft eine Boulangerie meinen Namen. Ich gehorche und bestelle Espresso und Baguette mit Camembert. Irgendwie schmeckt das hier besser als zu Hause.

Es ist, wie ich es oft erlebe, am Tag 3 kommt man ins Gespräch, vor allem mit sich selbst.

Während die Landschaft durchs Gemüt zieht, gehen die Gedanken auf Reisen. Entsprechend sehen auch die Bilder aus, die heute entstanden sind.





Zur Mittagsstunde schlüpfen wir in die kurzen Shirts und Hosen. Wir haben Ende Oktober und der Sommer ist zurück. Es ist angenehm warm, fühlt sich aber nicht ganz richtig an.

Am späten Nachmittag erreichen wir das Hofgut Holzmühle zwischen Westheim und Bellheim in der Pfalz. Diese Unterkunft sollte noch eine Überraschung für uns bereithalten. Die Kornmühle wurde 1481 errichtet und befindet sich seither in Familienbesitz. Es gibt einen Hofladen und zwei Gästezimmer. In Eines ziehen wir ein.



Zimmer und Bad sind liebevoll und chic restauriert und integriert in das Gesamtensemble. An der Rezeption fragen wir nach einem guten Restaurant um die Ecke und werden stattdessen zu einem Resteessen eingeladen. Unerwartet der Wendung stimmen wir sofort zu. In der Mühle finden Seminare statt. Heute war Porsche da und deren Gemüse, Fleisch und Kartoffeln liegen jetzt auf unseren Tellern.

Der Rezeptionist ist kein Geringerer als Timo Heiny. Afrikareisender, Fotograf, Sammler.

Wir kommen ins Gespräch, erfahren dass er bereits als 17-Jähriger zum ersten Mal in Afrika war und ihn dieser Kontinent bis heute nicht mehr loslässt. Auf einer Etage des Mühlenhauses bekommen wir Einblick in seine ethnologische Sammlung und seine Bilder Ausstellung. Aus den Portraits strahlt vor allem eines hervor, Urvertrauen der Portraitierten. Heiny hat mit den Menschen zusammen gelebt, sich eingefügt und eingefunden. Wir denken, dass Heinys einladende Offenheit, seine Lebensfreude ein multikultureller Universalschlüssel, eine Flatrate der Akzeptanz ist. Timo Heiny hat seine fotografischen Arbeiten in mehreren Bildbänden veröffentlicht,




Für mich als Fotograf atemberaubend, intensiv, lebenserfüllend. Die Abendstunden verbringen wir im Hofgarten. Was ein Hammertag.



6. Rheinhessen


Der redselige Spannungsbogen hält. Gegen halb neun liefert der Dorfbäcker seine Biobrötchen in die Mühle. Timo Heiny und sein Partner Bernd Louis richten das Frühstück an. Es gibt nicht irgendwas vom Buffet, wir werden nach unseren Wünschen gefragt. Von Ei, Käse, Schinken bis Lachs ist alles parat. Die Intimität der kleinen Gruppe lädt zum Frühstücksgespräch. Mit einem allseitigen Willen auf ein Wiedersehen packen wir gegen halb elf unsere sieben Sachen zusammen.


Wir hangeln uns an der Perlenschnur des Katholizismus flussabwärts. Speyer, Schifferstadt, Mutterstadt, Frankenthal, Worms.


Licht und Schatten des Synodalen Weges stehen sich unversöhnlicher den je gegenüber. Die Kirche steht an einem Scheideweg.


Während ich mir bereits den dritten belegten Semmel in einer Pfälzer Backstube abhole, ernährt sich mein Schatz von einer Asphaltflechte am rechten Knie. Die gab es umsonst an einer laubbedeckten Bordsteinkante in Worms.



Die Rebfelder der Pfalz und Rheinhessens sind abgeerntet und warten auf den Winter. Nach dem ersten Frost wird die bunte Pracht dem Wurzelstock zu Füßen liegen. Die Natur wird sich anpassen, ganz gleich wie die Klimaveränderung die Karten legt.



In Bodenheim, südlich von Mainz, checken wir ein letztes Mal ein. Morgen sind es noch rund 80 Kilometer an die Lahn.


7. Sicht Zero Zero


Nebel sind bodennahe Wolken. Sie bilden sich, wenn Wasser am Boden verdampft, und sogleich dort wieder abkühlt. Dadurch entstehen kleine Tröpfchen, die sich an Staubpartikeln in der Luft festhalten und bodennahe Wolken bilden.

Die Tröpfchen finden Halt an deiner Kleidung, deinem Helm und deiner Brille. Deine Haut kühlt sich ab, die feinen Muskeln ziehen sich zusammen und richten deine Härchen auf. Du bekommst Gänsehaut. Dieser Effekt verstärkt sich, wenn du deinen Partner verloren hast oder dir an der nächsten Ecke zwei Rennradfahrer begegnen, die aufgelöst ihren Kumpel suchen.




Emotionale Wärme entsteht durch Nähe. Wir bleiben dicht beieinander und fahren vorsichtig weiter bis zum Fuße des Taunus. Dort ist der Spuk vorbei.

Am frühen Nachmittag erreichen wir die Lahn. Aus dem Zapfhahn der Obermühle in Limburg fließt ein Abschlussbierchen in die Gläser.

Auf Anjas Frage, welche Erholungsform wohl die Beste sei, aktiv oder passiv, kenne ich nur eine Antwort. Rente.





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