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Der Rhöner 2.0

Beitrag: Blog2 Post

2019 Tumorfrei vom Lago Maggiore zum Po bis zur Adria

Aktualisiert: 25. Sept. 2022

Alle halbe Jahre wiederholt sich das große Zittern.

Alle halbe Jahre müssen meine Blutwerte passen, das CT sollte kein dynamisches Zellwachstum nachweisen und der Arzt mir einen stabilen Verlauf konstatieren.

Alle halbe Jahre hoffe ich auf die berühmten drei Dinge in einem, dem gesunden Überraschungsei von Prof. Dr. Jürgen Zieren.



Eigentlich war alles ganz anders geplant. Seit Monaten ist der Radweg Bodensee - Königsee Programm in den Köpfen von Vater und Sohn. Das Hotel für die erste Übernachtung in Siegen am Bodensee ist längst bezahlt, Christoph hat sein Bahnticket ab Düsseldorf schon vor vielen Wochen beschafft.

Meine Autofahrt ins Württembergische ist eine einzige Wasserschlacht. Mehrfach schlittert der Skoda mit blinkendem ESP über die A81.


Für die kommende Woche ist kaum Besserung in Sicht. Auf ein nasses und kaltes Deutschland habe ich null Bock.

Wir machen aus der Not eine Tugend. Hinter dem Gotthard Massiv scheint die Sonne.

Wir fahren an den Lago. Einmal rund herum sind 200km. Christoph hat zwei Tage Zeit. Das sollte passen.



Sonntag 28. April

In Locarno, im Nordwesten des Lago Maggiore beziehen wir Quartier. Christoph findet ohne lange zu suchen die passende Unterkunft. Der Name des Hotels trägt den Namen seiner Frau: Elena. Er will sich schließlich ganz wie zu Hause fühlen.



Montag 29.April

Gleich nach dem Frühstück brechen wir auf. Nach wenigen Kilometern, kurz hinter Mondial verlassen wir die Schweiz. Der Lago wird italienisch. Die Eidgenossen stehen am Schlagbaum und kontrollieren. Christoph hat keinen Pass dabei. Luft anhalten, lächeln, grüßen, geschafft.


Das zweite Frühstück heißt 2 doppelte Espresso. Wir sind in in Intra. Auf dem Marktplatz steht die Chiesa di San Fabiano.



Stresa ist eine mondäne Bäderstadt mit dem Charme der sechziger Jahre. Nicht mehr ganz taufrisch aber liebevoll gepflegt lädt das Städtchen zum Flanieren, zum Sehen und Gesehen werden ein.

Vor der Stadt liegen die Inseln Isola Superiore und Bella. Sie sind leicht mit der Fähre zu erreichen.


In Arona, im südlichen Zipfel des Lago, setzen wir auf die andere Seite über. Des Strampelns nicht müde radeln wir auf der Ostseite noch ein Stück hinauf.


Der Tag endet auf einem Campingplatz in Monvalle in einem Bungalow. Die Nacht unter einer dünnen Wolldecke war verdammt frisch, die Nasenspitze in den Morgenstunden eisigkalt.


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Dienstag 30.April

Laveno ist ein entzückendes kleines Örtchen mit vielen Cafés, Bars und Stühlen unter Platanen. Hierher sollte man unbedingt zurückkehren.


Nicht zuletzt aus Sorge vor eidgenössischem Ungemach bei der Wiedereinreise in die Schweiz nehmen wir ab Maccagno die Passstraße über den Alpe di Neggia. Da oben, so mutmaßt Christoph, steht bestimmt keiner. Er sollte recht behalten.

1200 Meter rauf, frage nicht wie's ging. Wir haben es geschafft. Die Abfahrt war ein anhaltend fettes Grinsen.


Entlang der Route fehlt es an nichts. Einzig, es gibt keine Radwege. Der Biker schwimmt mit im teils dichten Verkehr auf engen Straßen und Gassen. Es braucht schon ein großes und furchtloses Herz um der italienischen Autofahrerseele Paroli zu bieten.




Mittwoch 01.Mai

Schon sind die paar gemeinsamen Tage wieder um...ab heute geht's alleine weiter.

Komm gut nach Hause Herr Milde!



Der neue Plan heißt Po. Er ist 652 Kilometer lang und somit der längste Fluss Italiens. Der Po entspringt in den Cottischen Alpen am Monte Viso, nahe der französisch-italienischen Grenze.

Die heutige Autofahrt führte mich vom Lago Maggiore weitere 150km südlich über Lugano, vorbei an Mailand in die weite Ebene des Po. Neue Zielrichtung: Adria.

An der Mündung des Tessin in den Po habe ich in der Kleinstadt Broni Quartier gemacht und mich ein wenig umgeschaut.


Der Po wird an dieser Stelle von einer 1912 erbauten 1040m langen Stahlbrücke, der Ponte della Becca, überspannt. Die Brücke ruht auf 13 Pfahlbauten. Die Durchfahrt mit dem Fahrrad ist ein echtes Erlebnis.




Donnerstag 2.Mai

Nachdem ich als gefühlt einziger Gast im Don Carlo in Broni übernachtet und gefrühstückt hatte, ging die Fahrt bis Piacenza parallel zum Po über die Landstraße.

Dacht ich's mir. Der Fluss hat einen Hochwasserschutz. Die Dammkrone ist größtenteils asphaltiert und als Radweg ausgeschildert.


Wie hieß nochmal der berühmte 1644 in Cremona geborene Geigenbauer? (iravitartS)


Der Anfang des 12.Jahrhunderts gebaute Dom von Cremona steht zusammen mit dem Rathaus auf dem Piazza del Comune.

Es ist sicher kein Zufall, dass Glaube und Politik an einem Ort errichtet wurden.




Freitag 03.Mai

Der Himmel hängt voller Geigen.

Ich komme vom Weg ab, lande zu weit südlich in Fidenza. Pünktlich halb zwölf fängt es an zu schütten. Eilig suche ich nach einem Bahnhof und buche online ein Zimmer im Savoy in Parma.


Parma, der Gourmettempel Europas liegt im Gebiet der Emilia- Romagna.

Die Wucht der Stadt ist mehr als Parmesan und Schinken. Der Stadtkern ist gezeichnet durch zahlreiche romanische Bauten wie dem Kuppeldom Santa Maria Assunta oder das achteckige aus rosa Marmor erbaute Baptisterium San Giovanni.

Die Nudelbude Barilla kommt gleichfalls von hier.




Sonnabend, 04.Mai

Der Tag beginnt mit der Umsetzung von zwei Maßnahmen. Zum Einen ist dringend frisches Geld und zum Anderen eine neue Sonnenbrille zu beschaffen. Das alte Modell hat wohl den Besitzer gewechselt.


Bei wem das Städtchen Brescello bestenfalls ein mäßiges Stirnrunzeln hervorruft, der weiß dennoch Bescheid, wenn er die Bekanntschaft der beiden bronzenen Herren aus Kirche und Rathaus macht.

Weltweite Bekanntheit erreichte der Ort als Schauplatz der fünf zwischen 1951 und 1965 verfilmten Geschichten um Don Camillo und Peppone auf der Grundlage der Romane von Giovannino Guareschi.




Sonntag, 05.Mai

Die letzte Etappe beginnt zeitig in der Früh.

Sturm zerrt am Fenster, Blitze erhellen das Hotelzimmer, Donner grollt langanhaltend und düster. Über die Piazza rollen die Plastikstühle wie Tennisbälle in Richtung Straße. Die Ampelanlage schwankt bedrohlich, alle Lichter sind aus.

Das scheint mir dann doch nicht das rechte Ambiente für die finale Fahrt ans Meer.

Frühstücken, packen, weg. Am Bahnhof suche ich nach einem Ticketschalter. Fehlanzeige. Nicht mal ein Automat ist zu finden.

Brainstorming im Café ums Eck.

Zum Podelta fährt kein Zug. Ich entscheide mich für Rimini, kaufe ein Online Ticket auf der Seite der italienischen Staatsbahn. Fahrradmitnahme finde ich nicht. Ohne muss auch gehen. Der Zugführer gießt einen Redeschwall über mir aus, schwenkt wild mit den Armen. Ich steige trotzdem ein. Die Tür geht zu, der Zug fährt ab. Der Schaffner ward nicht mehr gesehen.

Bei Booking ist rasch ein Hotel gebucht. 2 Tage, 4 Sterne Meerblick inklusive Frühstück zum Preis von 37,50€/Nacht. Wie geht das denn? Ok, ist dann wohl so vorgesehen


Kleider machen Leute

Mein Willkommensfoto am Meer wurde von einem völlig betrunkenen Mann gemacht. Zwei Stunden später kaufe ich im Supermarkt ein paar Büchsen Bier und gehe an die Stelle zurück. Der Mann ist nicht mehr da.

Ein kleines Stück weiter ist eine Bar mit einem Restaurant gehobenen Anspruchs direkt am Strand. Zwangsweise in Fahrradklamotten, frage ich nach einem freien Tisch im leeren Gastraum. Alles reserviert. Ich bestelle einen Chardonnay, bekomme ein Bier und ein nicht bestelltes Stück Pizza und werde in der dritten Tischreihe neben dem Ofen am Ausgang platziert. Wenigstens warm.

Ich schlürfe mein Bier und lasse Charles Trened's La mer auf dem Handy laufen.

Eine Frau betritt den Raum, entledigt sich ihrer Kapuzenjacke und wird vom Macho des Hauses lange, sehr lange und fest in den Arm genommen. Anschließend verschwindet sie in der Küche.

Eine halbe Stunde später rufe ich den Typ des Hauses heran und bestelle sechs Austern, möglichst frisch, mit Zitrone und nochmal einen halben Liter Chardonnay.

Sage ihm, dass der einzige Grund warum ich noch immer da bin, Ausdruck meiner Freude ist, wie liebevoll er diese Frau begrüßt hat...

"Sie ist meine Frau" bekomme ich zur Antwort.

Der Italiener findet tausend Worte einer Entschuldigung. Neben den Austern und dem Chardonnay werden unzählige Grüße aus der Küche serviert. Es ist kaum zum essen...Le Maestro zeigt mir die Bilder seiner Bambinos...redet und redet.

Am Ende zeige ich ihm mein Willkommensfoto am Strand und frage nach dem Mann auf der Holzkiste neben seinem Lokal. Er kennt ihn nicht






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