Inhalt
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Donnerstag, 06.03.2025 - Abflug
Das alte Europa liegt rasch hinter uns. Im Norden der Türkei geht es entlang der Schwarzmeerküste nach Armenien und durch Aserbaidschan. Über dem Kaspischen Meer wird der Dreamliner kräftig durchgeschüttelt. Eine Tür ist nicht herausgefallen. In Turkmenistan geht es über die Karakum, in Afghanistan über endlose Bergketten, mitten hindurch zwischen Kabul und Kandahar. An Schlaf ist nicht zu denken. Weder Richard Gere noch Emma Watson schaffen es auf den Bildschirm in meinem Vordersitz. Es sind die 3D-Karten aus tausenden Metern Höhe, die mich fesseln. Landschaften, Formationen, Wüsten, Wasser, Rippen und Klippen. Das ist beste Unterhaltung zur Primetime. In Pakistan flachen die Berge ab. Die Landschaft wirkt von Winden geschliffen, wie eine Mischung aus Kartoffel- und Gurkenhobelspänen. Die Boeing fliegt mit Rückenwind, der Ground Speed liegt bei 1100 km/h. Klangvolle Namen ziehen vorbei: Islamabad zur Linken, Karatschi zur Rechten. In Indien breche ich mir fast die Zunge beim Lesen der Städtenamen ab.
Der Flieger ist brechend voll, doch der Platz neben mir ist leer geblieben. Dort reisen meine Beine behaglich gen Osten.

Der Ganges wirkt aus der Luft wie ein achtlos hingeworfener Nähfaden, wird dicker, breiter und mäandert schließlich u89vielarmig und gemeinsam mit dem Brahmaputra im größten Flussdelta der Welt, dem Golf von Bengalen.

Auf Indien folgt Bangladesch. Ich frage mich, ob mein T-Shirt schon einmal hier war, und bekomme ein Tablett mit Ei und Schinken vor die Nase gehalten. Wir überfliegen Chittagong. Der Wecker der Näherinnen klingelt mir in den Ohren.
Zwei Länder später, Bangladesch und Myanmar, sind Ei und Schinken verspeist.
Von Laos ist es nur noch ein Katzensprung bis Hanoi. Bei Tagesanbruch endet die nächtliche Erdkundestunde.

Freitag, 07.03.2025 - Ho Chi Minh

Was Fidel Castro in Kuba und Che Guevara im bolivianischen Dschungel waren, gilt für Ho Chi Minh bis heute in Vietnam. Der Mann wird als Held des Volkes verehrt und gefeiert. Will man ihn sehen, stellt man sich an einer hunderte Meter langen Schlange an, trägt seinen Sonntagszwirn, lässt sich und seine Taschen auf Waffen und Sprengstoff kontrollieren, nimmt die Hände aus der Hosentaschen, lacht nicht und schreitet feierlich bedächtig an seiner einbalsamierten Herrlichkeit vorbei.
Das Mausoleum von "Onkel Ho" steht gegenüber dem Parlamentsgebäude, dem politischen Herzen Hanois. Im Steckschritt erfolgt die Wachablösung. Als Kind der DDR befällt mich eine bedrückende Ernsthaftigkeit der Geschehnisse.

Dabei gilt "Onkels Hos" Vita keineswegs als gesichert. Der Mann, der sechzig Namen trug, sich in Paris der sozialistischen Partei anschloss, Lehrjahre in der Sowjetunion absolvierte, war Agent und Agitator in China. Er überlebte Stalins Säuberungswellen und entzog sich wiederholt dem Zugriff der französischen Polizei.
Am 2. September 1945 rief Ho auf dem Ba-Dinh- Platz in Hanoi, vor fast einer Million Zuhörern, die Demokratische Republik Vietnam aus.
"Nicht die Armut fürchten, sondern die ungleiche Verteilung"
Das war seine Losung. Und ist es bis heute. Vietnam kämpft mit Korruption im innersten Kreis. Die Menschen sind eben doch nicht alle gleich. Der Kommunismus ist eine ertragreiche Nährlösung für die Gleicheren unter den Gleichen.

Seit gut einer Stunde bin ich Millionär. Für 100€ wurden mir 2,6 Millionen Dong ausgezahlt. 1 Vietnamesischer Dong = 0,00036 Euro.
Gut, dass Onkel Ho das nicht mehr erleben muss. Er würde sich in seinem Sarkophag umdrehen.


Samstag, 08.03.2025 - Der Vietnamese
Der gefühlte Lebensmittelpunkt des Vietnamesen ist der Bürgersteig. Der Brustwarze folgt die Garküche, der Muttermilch die Nudelsuppe. Es gibt sie in unzähligen Variationen, mit und ohne Fleisch, mit und ohne Beilage, mit und ohne Geschmack. Die Nudelsuppe ist der Treibstoff für das Bruttosozialprodukt. Die Nudelsuppe hält Vietnam am Laufen.

Das kommt mir entgegen, bin ich doch auch ein Suppenesser.


Der Bürgersteig ist Küche, Wohnzimmer, Kinderzimmer und manchmal auch Schlafzimmer. Darauf wird nicht sinnlos herumgelaufen. Auf dem Bürgersteig wird Handel betrieben und es werden Mopeds geparkt. Für die Fortbewegung ist die Straße da. Alle Fußgänger, Mopeds, Autos, Lkw und Busse teilen sich den Asphaltstreifen mit schwarmintelligentem Verhalten. Das Leben fließt vom Bürgersteig auf die Straße, fließt über Brücken und Kreuzungen zusammen, ineinander, miteinander, durcheinander, zurück auf den Bürgersteig. Ampeln geben Hinweise, Rot ist die Farbe ihrer Fahne, Rot treibt sie an, ohne zu übertreiben. Wie Fische im Wasser oder Vögel in der Luft gleitet der Vietnamese durch Raum und Zeit. Der Vietnamese sozialisiert sich auf dem Bürgersteig. Der Bürgersteig ist die Keimzelle der südostasiatischen Evolution.

Der Tourist ist angehalten, rasch und intuitiv zu lernen, um nicht unter die Räder zu kommen. Schwarmverhalten bedeutet, ruhig zu bleiben und sich dem Schicksal anzuvertrauen. Kommunikation findet vorrangig über die Hupe anstelle der Bremse statt. Insbesondere gilt dies für das universellste aller Fortbewegungsmittel, das Moped.



Diese, ist meine erste Gruppenreise mit Studiosus. Ich frage mich, was mich geritten hat, einen solchen Vertrag zu unterschreiben. Ich frage mich ernsthaft, ob ich jetzt alt werde.
Gruppenreisen waren noch nie mein Ding, zumindest nicht mit völlig unbekannten Leuten. Ich muss mir eingestehen, dass es gar nicht so schlecht läuft. Der Guide und Reiseführer ist ein Dr. Joachim Gabel, in Indochina als Dr. Joe bekannt. Der Herr trägt sein fundiertes Wissen mit angenehmer Stimme vor. Der Charmeur ist wortgewandt und weiß, worauf es ankommt. Kein Wunder, besucht er doch wieder und wieder den Literaturtempel in Hanoi, bekannt als Văn Miếu-Quốc Tử Giám. Er wurde 1070 von Kaiser Lý Thánh Tông erbaut, um Konfuzius und seine Lehren zu ehren. Mir scheint, Dr. Joe ist ein später Nachkomme eines seiner Schüler.

Die kaiserliche Akademie war über Jahrhunderte hinweg die Bildungsstätte der Oberschicht. Die 82 steinernen Stelen, die auf Schildkröten stehen, tragen die Namen der kaiserlichen Absolventen. Ein wahrhaft beeindruckendes Gleichnis für Langlebigkeit, Stärke und Weisheit.


Auf dem Programmzettel steht heute Folgendes: Lebensmitteleinkauf, gemeinsames Kochen und Essen. Wir besuchen einen regionalen Markt in Hanoi und ich füge einen weiteren Programmpunkt hinzu: Staunen und Akzeptieren.




Am Eierstand spricht mich die Köchin und Gastgeberin an. Sie möchte mir ein Ei schenken, ich möge es probieren. Es ist ein 10 Tage angebrütetes Entenei und sei eine wahre Delikatesse. Am Ende schaffe ich es nicht, ihr Gastgeschenk anzunehmen."
Sonntag/Montag 09.-10.03.2025 – Halong-Bucht
Die Peripherie der 10 Millionen Einwohnerstadt zeigt sich im Einheitsgrau der Erinnerung an die DDR. Das Grau der Fassaden ist nuanciert vom Dunst Hanois. Bunte Werbeplakate drängen sich davor. Alles Neue und Offizielle ist gelb gestrichen. Straßengräben sind mit Müll gefüllt. Plastik schwimmt in den Bachläufen zwischen den Enten. Ziegen reißen Plastiktüten auf und „entsorgen“, was der Mensch nicht mehr will. Vietnam trennt keinen Müll. Der gemeine Vietnamese trennt sich von ihm.


Ansätze gibt es sehr wohl. So sind in der Halong-Bucht Plastikflaschen generell verboten. Schwimmender Unrat wird abgefischt und eingesammelt.

Im Land geht es voran. Die Bürger sind fleißig, streben nach Wohlstand und Anerkennung. Auf der Statusleiter vom Fußgänger zum Autofahrer herrscht dichtes Gedränge.
Wir haben Hanoi verlassen und fahren mit dem Bus nach Osten. Am Fenster ziehen endlose Reisfelder vorbei. Auf den schmalen Dämmen zwischen den Feldern wachsen Palmen in regelmäßiger Pflanzordnung. Dazwischen versorgen sich Wasserbüffel erst selbst und später ihre Herren mit Nahrung. Schnurgerade, teils betonierte Gräben teilen die Landschaft in Quadrate und versorgen die Frucht mit Wasser. Vereinzelt macht sich ein Bauer an seinen Setzlingen zu schaffen.
Nach zweistündiger Fahrt durch subtropischen Morgennebel tauchen die ersten Kegelspitzen der Karstfelsen vor der Netzhaut auf. Laut Statistik sind es 1.969 Felsen auf 1.500 Quadratkilometern.

Wir steigen die knapp 480 Stufen auf den Hang Mua hinauf. Der Drache auf dem Gipfelkamm will gestreichelt werden. Die Belohnung ist ein grandioser Ausblick ins Tal und auf die kegelförmigen Felskuppen. Im Zugzwang eines vorzeigbaren Gipfelfotos gewinnt die Gruppe an Geschlossenheit.

Die sogenannte „trockene Halong-Bucht“ in der Nähe von Ninh Binh ist geologisch gesehen Teil derselben Karstlandschaft, die auch die bekannte Halong-Bucht im Golf von Tonkin prägt. Der Unterschied zwischen beiden ist schlicht der Höhenunterschied des Geländes.

Der Name „Halong“ bedeutet „herabsteigender Drache“. Der Legende nach sollen Drachen die Bucht erschaffen haben, indem sie Juwelen und Jade ins Meer spuckten, die sich in die heutigen Felsen und Inseln verwandelten.
Das klingt eindeutig fantasievoller als die trockene geologische Erzählung von erodierenden Kalksteinschichten.

Wer glaubte, dass das schon alles war, wird im Golf von Tonkin sein smaragdgrünes Wunder erleben. Die Schönheit dieses üppig bewachsenen Felsengartens ist atemberaubend. Die Vielfalt an Karstformen ist einzigartig, mit Höhlen, Grotten, Bögen und isoliert stehenden Felsnadeln.
Mein Gott, ist das schön!





Poseidon ist auch gerade hier..

Dienstag/ Mittwoch 11.-12.03.2035 - Der 17. Breitengrad
Meine Erzählung über den 17. Breitengrad ist ein gewagter Blick über den Gartenzaun.
Sie beginnt damit, dass wir gestern in Hanoi in den Flieger gestiegen und eine Stunde später in Da Nang, in Zentralvietnam, gelandet sind. Vor gut 50 Jahren hätten uns die Amerikaner vermutlich kurz vor der Landung abgeschossen. Der 17. Breitengrad war die einst hart umkämpfte Demarkationslinie im 2. Indochinakrieg gegen die Amerikaner.

Der kommunistische Norden hat den kapitalistischen Süden besiegt und den "Aggressor Amerika" aus dem Land gejagt. Am 2. Juli 1976 wurde die Sozialistische Republik Vietnam wiedervereinigt.
Der gesamte Warschauer Pakt hat diesen Sieg frenetisch gefeiert.
Das ist 49 Jahre her. Wir Deutschen sind seit 34 Jahren wiedervereinigt.

Die Frage, der ich nachgehen möchte, ist die nach der Wiedervereinigung in den Köpfen der Vietnamesen. Unser Local Guide Binh ist folgender Auffassung:
"Während die jüngeren Generationen in Nord- und Südvietnam ein deutlich weniger aufgeladenes Verhältnis zueinander haben, tragen die älteren Generationen, die den Krieg und die Teilung miterlebt haben, noch tiefe emotionale Narben."

Auf meine Frage, wie lange eine Versöhnung nach seiner Auffassung noch dauern werde, sprach Binh von einer weiteren Generation. Dann sei es vermutlich geschafft.
Reiseleiter Dr. Joe Gabel sieht die Unterschiede eher in der Natur der Menschen. Während er den Norden eher introvertiert erlebe, seien die Menschen im Süden extrovertierter. Ein Mehr an Sonne führe zu einem sonnigeren Gemüt. Die Zeit heilt bekanntlich alle Wunden.
Gilt das auch für uns Deutsche?
Während der Norden wirtschaftlich versucht aufzuschließen, eilt der Süden weiter davon. Der Norden summt, der Süden brummt. Wenn man die Hafenstadt Hoi An betritt, könnte man meinen, in einem anderen Land angekommen zu sein. Die Stadt leuchtet, ihre Geschäfte sind voll. Die Straßen, Brücken und Plätze sind geputzt und die Menschen laufen gefühlt aufrechter. Auch und gerade beim wirtschaftlichen Aspekt lohnt der kritische Blick der Deutschen über den Gartenzaun.




Ich werde vom Schwung mitgerissen und lasse mich vermessen. Die grazile Näherin Tracy steht auf Zehenspitzen. Ihre Arme reichen gerade so weit, um mir das Maßband über die Schulter zu legen. Sie strahlt und freut mich an. Mir bleibt nichts anderes übrig, als zurückzulächeln. Nach zwanzig Minuten sind Längen, Breiten, Abstände und Stärken auf einem Stück Papier notiert. Das Stück Papier, Tracy und ich betreten einen Raum mit Stoffen aller Couleur. Ich suche, sie findet, ich zahle die Hälfte an, sie vereinbart einen Anprobetermin für morgen, ich sage zu.
Es ist morgen, ich bin da, Tracy ist da, das Ergebnis ist da.

Dessen nicht genug, besuchen wir die Galerie des Fotografen Réhahn. Seine Seelenporträts gehen um die Welt. Der gebürtige Franzose ist einer der Großen im Orchester. Réhahn wohnt und lebt in Hoi An, wenn er mal da ist. Seine Reisefotografie findet man bei National Geographic, BBC und/oder Travel Life. Und er ist da. Der für die Sache Vietnams "brennende Fotograf" sprudelt wie ein heißer Nudeltopf, nicht nur für das Wie und Wo, auch und vor allem für das Wofür. Réhahn weiß sich zu verkaufen.



Donnerstag, 13.03.2025 - Chào buổi sáng nước Đức!
Guten Morgen Deutschland. Mein Handy meldet Schnee in der Rhön bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Unweigerlich wandern die Mundwinkel zu den Ohrläppchen.

Ich öffne die Balkontür und lasse den Unterschied herein. Meeresgeschwängerte Luft füllt den Raum. Heute sind Temperaturen um 28 Grad und viele Sonnenstunden gemeldet. Für ein „Weißbrot“ gehört der Kegelhut zur persönlichen Schutzausrüstung.
Pünktlich 6:38 Uhr schmeißt ein Hahn auf dem Hinterhof die Gäste des Wyndham Garden aus ihren Nestern.

Man sollte nicht zwingend ein Impfgegner sein, will man die Zeit in Indochina schadlos überstehen. Malaria, Denguefieber, Typhus, Tollwut oder Cholera sind im Angebot. Leitungswasser ist tabu. Die Garküche ist es nicht. Meine schlimmsten Befürchtungen sind bisher ausgeblieben. Nach mehr als einer Woche geht es mir ausgesprochen gut.



Das vietnamesische Essen ist leicht, vielfältig, mit ausgewogenen Aromen. Die Rührlöffel der Franzosen wirken nach. Alles, aber auch alles wird mit frischen Kräutern zubereitet. Minze, Koriander, Thai-Basilikum sind die wichtigsten Vertreter. Ich weiß, wovon ich rede, gestern hatten wir unseren zweiten Kochkurs. Die Soßen sind ein Schlüsselelement, Fischsoße bildet in der Regel die Grundlage, zusammen mit Limettensaft, Zucker und Chilis. Wenn es gelingt, schmeckt das Essen gleichzeitig süß, sauer, salzig und bitter.

Nach dem Frühstück geht es in großen und kleinen Booten aufs Wasser. Wir erleben Fischfang im Delta des Thu Bon River.



Im Anschluss geht es in kleinen Rundbooten durch den Dschungel. Der Guide spricht von einer sehr touristischen Angelegenheit. Er sollte Recht behalten, im Dschungel ist Kirmes.



Zehn Dollar Trinkgeld haben gereicht, den Kurs ein wenig anzupassen und die Meute einzuhegen.
Freitag, 14.03.2025 - Kaiserstadt Hue
Acht Uhr ist Abfahrt in die Stadt der Könige, nach Hue. Der Bus windet sich auf der Nationalstraße 1 den Wolkenpass hinauf. Sie war über Jahrhunderte hinweg die einzig gangbare Verbindung zwischen dem Norden und dem Süden. Musste man früher damit rechnen, vom Tiger gefressen zu werden, sind es heute die nervigen Händler auf der Passhöhe. Der Ausblick auf das Ostchinesische Meer rechtfertigt jede Anstrengung.

Wer es eilig hat, nimmt den Tunnel unten durch.

Ich werde gebucht. Die Asiatinnen stehen offensichtlich auf große, käseweiße Männer in kurzen Hosen.

In der ausgedehnten Lagune südlich von Hue werden Meeresfrüchte gezüchtet. Dieser Küstenstreifen wird nicht nur von Touristen besucht, auch Taifune sind hier oft zu Gast. Dr. Joe warnt davor, Vietnam im Dezember zu besuchen. Dezemberzeit ist Taifunzeit. Die Zerstörungen sind gewaltig.





Gewaltige Zerstörungen gab es auch an und in der Zitadelle von Hue. Die Tonhalle ist taufrisch restauriert. Der Glanz der Nguyễn-Dynastie strahlt mit der Sonne um die Wette. Zwischen 1802 und 1945 regierten und residierten 13 Könige in der Zitadelle. Die Welt der Mandarin, der Konkubinen, des Hofstaats ist lebendig und beeindruckend. Heutzutage ist das Innerste der verbotenen Stadt frei zugänglich. Eine Welt in einer anderen Welt mit Abstufungen und rigiden Zugangsrechten.





Die Form des wiederkehrenden Hakenkreuzes steht für Langlebigkeit. Das Symbol hat nichts mit dem Nationalsozialismus gemein.
Am Ausgang der Zitadelle warten dreirädrige Sänften auf die Gruppe. Wir bewegen uns im Schwarm der Masse durch die Stadt, über den Parfümfluss und den Gemüsemarkt zum Mittagessen.

...ein wenig behindert sieht das schon aus

Die Eitelkeit kennt keine Grenzen. Während die Europäerinnen eine nahtlose Bräune bevorzugen, versuchen die Vietnamesinnen genau diese zu verhindern. Vietnamesinnen gehen niemals zum Sonnenbaden an den Strand. Der Strand ist den Touristen vorbehalten. Die Ambivalenz des guten Geschmacks kennt viele Facetten.
Es ist kurz vor 22 Uhr. Tracy bringt meinen Anzug vorbei. Sie lacht, winkt und verschwindet mit ihrem Roller in den Reisfeldern.
Samstag/Sonntag 15.-16.03.2025 - Saigon
Wir sitzen im Airbus von Da Nang nach Ho-Chi-Minh-Stadt. Nach einer wackeligen Landung auf dem alten Flughafen der Stadt erscheinen die Koffer blitzschnell auf dem Gepäckband. Am Ausgang schlägt uns brütende Hitze ins Gesicht. Schweiß tritt aus allen Poren, läuft über den Rand der Brille und verklebt die Sicht.
Derzeit ist ein neuer Flughafen für 100 Millionen Fluggäste pro Jahr im Bau. Frankfurt fertigt im Vergleich dazu rund 70 Millionen Passagiere ab.


Der neue Local Guide trägt den Namen Phuoc. Der junge Mann hat Germanistik studiert und arbeitet für Saigontourist. Seine Aussprache ist klar und verständlich.
Phuoc stellt seine Grundeinstellung an den Anfang seiner Rede: „Willkommen in Saigon oder auch Ho-Chi-Minh-Stadt. Aber das sagt hier niemand.“



Der Bus hält an einem Pho 24, einem Nudelsuppen-„McDonald’s“ im Herzen der Stadt. Klingt irgendwie nach Sprengtechnik 24. Ich esse die erste Nudelsuppe meines Lebens bis auf den letzten Tropfen mit Stäbchen. Im Grunde ist es ganz einfach: Nimm ein paar Nudeln zwischen die Stäbchen, schlinge sie zweimal um die eigene Achse und tauche das Bündel in die Suppe. Führe die Stäbchen senkrecht nach oben und beiße ab. Spätestens ab der zweiten Hose und dem dritten Shirt klappt es, versprochen. Dieser Erfolg macht mir Saigon auf Anhieb sympathisch.


Der nächste Stopp ist am Hauptpostamt. Es wurde während der französischen Kolonialzeit zwischen 1886 und 1891 erbaut und sieht mit seinem großen Zifferblatt und den hohen Innengewölben aus wie ein europäischer Bahnhof. Irgendwie auch ein wenig wie der unterste Sockel des Eiffelturms. In Wurfweite ist die Notre-Dame zu erkennen. Leider ist die Kirche komplett eingerüstet und für Besucher gesperrt.


Studiosus hat sich nicht lumpen lassen. Die letzten drei Übernachtungen unserer Reise verbringen wir im Grand Saigon. Am Portal des altehrwürdigen Hauses im Kolonialstil sind fünf Sterne angebracht. Die Koffer werden von Boys geschoben, die ihre Dienste anbieten. Mich erwartet eine geräumige Suite mit alten Möbelstücken auf einem hochpolierten braunen Holzfußboden, mit Blick auf den Innenpool und über die Stadt.


Am Abend genießen wir ein Acht-Gänge-Menü in vietnamesischem Ambiente. Und ich habe keinen einzigen Gang ausgelassen.

Saigon ist eine westliche Großstadt, eine lebendige, quirlige Metropole mit ausgelassen feiernden Menschen. Alles Treiben findet draußen statt, badet im Lichtermeer der Wolkenkratzer mit einem breiten Fluss in ihrer Mitte. Stadt und Fluss tragen den gleichen Namen. Abertausende fahren alleine, zu zweit, zu dritt oder zu viert als Singles, Paare oder in familiärer Runde dicht an dicht im Korso durch die Hauptstraßen. Saigon ist eine Einladung an das Leben.

Kommen wir zu einem schlimmen Kapitel Vietnams und besuchen das Kriegsopfermuseum im Herzen von Saigon.


Die teils drastischen Bilder und Ausstellungsstücke zeigen die ausufernden Gräuel des Krieges. Die Geschichte ist natürlich aus der Sicht des Siegers dargestellt, wie es nicht anders zu erwarten ist. Das Museum betont die enge Verbindung zwischen dem Vietcong und der Landbevölkerung.


Ganze Wälder wurden mit Agent Orange entlaubt um die Vietcong sichtbar zu machen. Die Ironie an der Geschichte ist, dass die Landbevölkerung und viele Soldaten des Nordens wie des Südens gleichermaßen Spätschäden
davongetragen haben.

Krieg war und ist ein Konglomerat aus rücksichtsloser Gier mit fantastischen Gewinnen, Vertreibung, Elend und Tod.
Wir fahren weiter nach Chinatown auf den Binh Tay Markt. Einige der Gruppe sind tief betroffen, laufen stumm durch die vollgestopften Gänge mit Lebensmitteln, Haushaltswaren, Klamotten und Schuhen.




Glück kann man kaufen.
Kaufe einen der Vögel aus dem Käfig auf dem Bordstein und schenke ihm seine Freiheit. Er beschenkt dich dafür mit Glück.

In Deutschland müsste man vermutlich auch dafür einen Quittungszettel ausdrucken und Mehrwertsteuer abfahren.
Mal wieder sehr schöne Bilder die mich mental mit auf deine Reise nehmen. Weiterhin wünsche ich dir lieber Jo eine tolle Zeit