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Sprengtechnik 24

Der Rhöner 2.0

Beitrag: Blog2 Post
AutorenbildJoachim Milde

Aus dem Leben eines Aussteigers

Aktualisiert: 19. Okt. 2022

Stell dir vor, es ist Sommer, es ist heiß und du hast frei. Du hattest gestern frei, genauso wie heute, morgen und alle kommenden Tage.

Es ist kurz nach 6, die Haustür fällt ins Schloss. Deine Familie steigert das Bruttosozialprodukt.


Du schlürfst in die Küche, die ersten Sonnenstrahlen blinzeln durch die Lamellen auf den Fußboden und zeigen an wo es lang geht. Augenblicke später duftet es nach frischem Kaffee. Natürlich erst, wenn du das Wasser nachgefüllt, den Satzbehälter geleert und neue Bohnen aufgefüllt hast. Zurück in den Kissen benetzt das goldbraune Getränk deine Lippen. Der kräftig herbe Geschmack der Espressobohne nimmt den Weg der Glückseligkeit. Das Hirn feiert die Prozession des ewig währenden Sonntags.


Dein Smartphone schweigt beharrlich, die täglichen kleinen und großen Katastrophen haben sich einen neuen Adressaten gesucht. Schon schläfst du wieder ein und wachst wieder auf, schlafwandelst zum Kühlschrank, beißt ein Stück Käse ab. Deine Füße finden den Weg zurück ins Bett. Alles kein Problem, du bist durchtrainiert.

Dein Unterbewusstsein hat einen Zettel auf dem Küchentisch wahrgenommen. Der erste Satz beginnt mit "Bitte...". Hat natürlich Zeit, Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.



Rammstein steigt aus der Box. Das Haus ist leer, die Musik auf Anschlag. ZEIT, BITTE BLEIB STEHN, BLEIB STEHN... Der Augenblick ist dir heilig, dein Herz schäumt über den Rand und deine Zeit schreitet gnadenlos voran.

Irgendwann treibt dich der Hunger zurück in die Küche. Eier, Zwiebeln, Speck, eine Paprika und zwei Tomaten landen mit geübten Handgriffen in der gut gefetteten Pfanne. Der Kaffeeautomat macht sofort was er soll. Schließlich bist du derjenige gewesen, der für Ordnung gesorgt hat.

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Essen macht müde, dein Sofa bietet dir Soforthilfe an.

Du holst dir die große, weite Welt auf das Display deines Smartphones, zappst durch die Nachrichten und schläfst dabei ein.

Draußen wird gebaut, gehämmert und gebrummt.


Deine Gedanken kreisen um dein nächstes Event. Mittagessen. Virtuell durchsucht deine Hirnrinde die Regale, den Kühlschrank und das Eisfach.

Bewegung ist gesund. Fünfzehn Minuten später reicht dir dein Lieblingsdeutschtürke einen Döner mit Allem, lächelnd über den Tresen. "Bitte ein Bit", sind deine ersten drei Worte dieses noch jungen Tages.


Den "Bitte" Zettel hast du natürlich eingepackt, du bist ja nicht blöd. Über den Bäcker, den Fleischer und den Getränkeshop führt dich dein langer Weg zurück aufs Sofa. Klamotten runter, Außendienst beendet.



Dein Handy nörgelt und stört deinen wohl verdienten Mittagsschlaf. Irgendwie trotzdem gut, denn auf dem "Bitte" Zettel stand etwas von einem Staubsauger.

Kaum fertig, steht die arbeitende Bevölkerung auch schon wieder in der Wohnung und verstopft die Gänge. Wo soll das alles noch hinführen mit den wirren Gedanken der Politiker um eine zweiunddreißig Stundenwoche.

Die Abendsonne lockt dich und dein Bier auf den Balkon und löst ihr Versprechen ein.

Du wirst entschädigt für die anstrengenden Jobs von Frau und Kind, entschädigt für die Lasten des "Bitte" Zettels, für Bauen, Hämmern und Brummen, für Staubsaugen und Bierholen...

Auf mein Wohl ihr Lieben ♥




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